Ein traumhafter Film

Berlinale Star-Album (7 und Schluss): „Fußball, Sex und Politik“ war das Motto der 55. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Und, wie war’s? Vor der Vergabe der „Bären“ heute Abend: die anderen Highlights der Berlinale von SUSANNE LANG

Der strahlendste Auftritt

Bai Ling, Schauspielerin und Jurymitglied

Spätestens als sie in ihrem Schmetterlingsflügelkleid bei der Eröffnungsfeier der Berlinale den roten Teppich betrat, war klar: Bai Ling, die chinesische Schauspielerin, hatte die Berlinale zu dem gemacht, was sie bei allem Anspruch auch sein möchte: eine Bühne für eine große, glamouröse Show.

Während Bai Ling in dem Film „Dumplings“ einige Tage später Föten essen wird, um jung, also schön zu bleiben, zeigt sie zehn Tage lang der Berliner Partysociety, wie im verschneiten Festivalleben eine Sonne aufgehen kann. Jetzt sitzt sie ganz nah. Im knappsten Mini des Festivals. Dezent geschminkt. Keine Spur von Müdigkeit.

taz: Frau Ling, Sie tragen keine Strumpfhose?

Bai Ling: Nein, nichts.

Ihnen ist nicht kalt?

Ich habe ja einen dicken Mantel. Im Kino ist es warm, und draußen gibt es Autos.

Sie lieben es, sich sexy und exzentrisch zu kleiden.

Oh ja. Man erzählte mir, dass ich das provokanteste Jurymitglied bin, das es jemals gab.

Jemals?

In Berlin, ja. Ich kleide mich eben gerne so, wie ich mich fühle. Und hier auf der Berlinale fühle ich mich abends als Partymädchen und habe großen Spaß dabei. Der rote Teppich, das Festival ist ja eine Inszenierung, auf eine Art unwirklich. Deshalb ist es schön, sich selbst auch zu inszenieren.

Vermissen Sie hier Glamour?

In Kalifornien, wo ich lebe, legen die Leute großen Wert darauf, sich zu inszenieren. Berlin ist wahrscheinlich seriöser – konservativer vielleicht? Ich weiß nicht. Aber ich bin glücklich, etwas Glamour, Wildness auf die Berlinale zu bringen. Ich hoffe, ich trete damit niemandem zu nahe …

Die Bild -Zeitung hat Ihnen den Namen „Die Berlinackte“ gegeben …

Ah wirklich?

Wie finden Sie Ihren neuen Namen?

Gut! Passend zu Berlin. Es ist Winter, die Stadt ist nackt. Immer wenn es schneit, habe ich das Gefühl, Orte werden zugedeckt, die es auch sein sollten. Ich ziehe mich trotzdem sommerlich an. Es ist frisch, sexy, glamourös, und darum geht es schließlich auch im Film. Die meisten zeigen eine Fantasiewelt der Wirklichkeit. Und die Menschen lieben es, sich ihre Welt zu träumen. Ich denke, „Berlinackte“, das ist ein wunderbarer Name. Ich mag ihn.

Die beste Nebenrolle

Der Potsdamer Platz

Ja, er ist künstlich. Konstruiert. Seltsam leblos. Aseptisch mit seinen orange-beige-braunen Bauten und Sackgassenschluchten. Ja, aber einmal im Jahr lässt er sich gerne zum Leben erwecken: Genau deshalb ist der Potsdamer Platz ein sehr perfekter Festival-Ort. Keine Kulisse, sondern ein leerer Schauplatz, den man nur bespielen muss. Dieses Jahr sogar mit einer Nebenrolle auf der Leinwand: einer Hommage, von Christian Petzold, in seinem „Gespenster“-Reigen.

Der erwartbarste Flop

Rosa von Praunheim, Filmemacher

Hatte einen Homo-Nazi-Film gedreht. Schaffte es, neulich als Dokumentarist des Deutschen in den Siebzigern geadelt, gar in eine Talkshow. Nazi fits! Dieser Filmemacher leider dieses Jahr nicht. Er sah ebenso glatt gebohnert aus wie die Menschen im „Napola“-Film.

Der bessere Trinkspruch

Tervisex!

Import aus Estland, übermittelt von sehr unterhaltsamen jungen Filmemachern, die über eine latente German Festival-Ernsthaftigkeit charmant hinwegblinzeln. Passt nicht nur zu Wodka.

Die gute Nachricht

Andrei Kurkow, Drehbuchautor und Jurymitglied:

„Der deutsche Film hat mehr Humor als früher. Zum Glück.“

Der berühmteste Non-Narziss

André Heller, Künstler

Er hat ja wirklich alles erreicht, der österreichische Künstler André Heller. Vor zwei Jahren wurde er zum Kulturchef der Fußball-WM berufen. Und was hätte er für eine Selfperformance daraus machen können. Von wegen „Der Ball, Atemstoß Gottes, Nagellack des Rasens trocknend“. Oder „Du, du, du / bist mein einziges Tor“. Stattdessen gab er den freundlichen Mentor von jungen Regisseuren aus ziemlich vielen Ländern, die allesamt kommen durften, weil sie schöne Short Cuts gedreht haben zum Thema Fußball. Heller rief sie auf die Bühne im Haus der Kulturen der Welt – und stellte sich, nein, nicht abseits, sondern an den Rand. Scheinwerfer für all jene, die sie noch brauchen.

Der smarteste Sponsor

Vöslauer

Ein sehr feiner Plan der Marketingcrew von Vöslauer, österreichischer Mineralwasserproduzent auf Expansionskurs: Wo könnte man auch besser – und vor allem unaufwendiger – neues WellnessBalanceWasser testen als auf einem Festival, in Anwesenheit von Presse und sonstigen Meinungsmultiplikatoren? Ein sehr feiner Plan, denn nun weiß Vöslauer: Marille-Ingwer-Kirsch-Jasmin-Wässerchen braucht nicht mehr abgefüllt zu werden.

Das sprechende T-Shirt

Harun Farocki, Filmemacher

„Lassen Sie mich durch, ich bin Arztsohn.“

Der entdeckte Kerl

Günter Schlögel

Der heimliche Star beim Campusworkshop: ein schwuler Hertha-BSC-Fan, 39 Jahre, kein Caffè-Latte-Empfindling, sondern die Hauptfigur in der Sören-Lang-Kurz-Doku „Only Hertha“. Diese Segelohren, diese Prolligkeit, diese Wucht in Szenen aus dem Olympiastadion: Er hatte mehr virile Klasse als alle von der Sorte Jürgen „Ich bin ein ruppiger“ Vogel auf offiziellen Teppichen.

Der verbrauchte Star

Franka Potente, Jurymitglied

Tatsächlich, da soll doch jemand Franka Potente gesehen haben! Hier in Berlin, im Festivalgedränge. Mit feuerroten Lola-Haaren. Zurück aus Hollywood. Aber irgendwie ist’s dann passiert: Franka Potente blieb das große Phantom der Berlinale.

Der motzige Deutsche

Axel Prahl, Schauspieler

Sie kamen, die Journalisten. Zu Axel Prahl. Ihr Interesse: Seine Rolle in Andreas Dresens neuem Film „Willenbrock“, in dem er die Hauptfigur spielt, einen im Osten erfolgreich agierenden Gebrauchtwagenhändler. Prahls Begrüßung: „Sie, die Journalisten, interessierten sich doch sowieso nur für ausländische Stars auf der Berlinale.“

Die irrste Teppich-Show

1. Claudia Roth: sah sich auf der offiziellen Übertragungsleinwand und lief erschrocken weg.

2. Hannelore Elsner: sah sich ebenfalls und blieb lange stehen – wie immer.

3. Mutter Beimer featuring Marie Luise Marjan: suchte wohl Klausi.