US-Rechte gegen ein vereintes Europa

Rechte Kreise in den USA reagieren mit Argwohn und Angst auf die transatlantischen Wiederbelebungsversuche der Bush-Regierung. Sie bevorzugen eine Politik, die von einem Europa der Nationalstaaten ausgeht

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Die Europareise von George W. Bush scheint unter dem Banner „Pragmatismus übertrumpft Ideologie“ zu stehen. Unabhängig von schwer wiegenden Differenzen im Fall des Irak, Iran und des Waffenembargos gegen China, gibt es im Weißen Haus offenbar eine neue Wertschätzung für den Partner jenseits des Atlantik. Bush hat gelernt, dass auch eine Supermacht Grenzen hat und Alliierte braucht. Er hat scheinbar auch erkannt, dass ein geeintes Europa hilfreicher ist als ein schwaches und zerstrittenes. Außenministerin Condoleezza Rice betonte ausdrücklich, die USA unterstützten die fortschreitende Integration und Einigung und fürchteten sich nicht vor einem starken Europa.

Alle politischen Lager in Washington sind sich darüber einig, dass dies sicherlich Bushs wichtigster Europatrip ist. Doch je nach politischer Anschauung analysieren Experten Zustand und Zukunft des transatlantischen Bündnisses unterschiedlich und wünschen sich dementsprechende Signale des Präsidenten in Richtung der Europäer. Demokraten und moderate Konservative fordern Bush zu einem strategischen Dialog mit Europa auf, in dem gemeinsam Positionen und Strategien erarbeitet werden.

Das dies möglich sei, meint Philip Gordon vom Brookings Institute in Washington, beweise ein „beachtliches“ Papier von 61 Exregierungsbeamten und Politikfachleuten aus Europa und Amerika. Der Bericht mit dem Titel „Compact between the US and Europe“, unterzeichnet unter anderem von Mitarbeitern aus beiden Bush-Regierungen, demonstriert, dass gemeinsame Standpunkte auch angesichts schwieriger strategischer Fragen und unterschiedlicher Perspektiven möglich seien. „Beide Seiten haben Kompromisse gemacht und harte Brocken geschluckt“, sagt Gordon.

Rechts- und neokonservative Kreise hingegen reagieren auf die transatlantischen Wiederbelebungsversuche der US-Regierung mit einer Mischung aus Argwohn, Skepsis und Angst. Radikale Haltungen wie die von Thomas Donnelly von der konservativen Denkfabrik „American Enterprise Institute“, die USA sollten das impotente und widerspenstige Europa in Zukunft einfach links liegen lassen, gehören zwar zu einer Minderheitsmeinung. Dennoch dominieren die bekannten Reflexe, dass Amerika alle Versuche Europas zurückweisen sollte, die seine Hegemonie untergraben könnten. Das Verhältnis sollte vorrangig so gestaltet werden, dass es den strategischen Interessen der USA dient.

Für Gerard Baker, Kolumnist im Weekly Standard, dem Hausblatt der Neokonservativen, schafft der Schmusekurs mit Europa und das Bekenntnis zum Einigungsprozess nur noch mehr Probleme. „Die USA stützen damit eine Vision von Europa, die den langfristigen strategischen Zielen Amerikas widersprechen und an bestehenden fundamentalen Unterschieden bei Politikentwürfen auch nichts ändern würde.“ Vor allem Frankreichs Ambitionen auf eine multipolare Welt würde dadurch nur Vorschub geleistet. „Ein vereintes Europa ist nicht im Interesse der USA.“ Bush sollte daher die „Supermacht Träumer“ wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen.

In ein ähnliches Horn bläst John C. Hulsman von der „Heritage Foundation“. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit sei wünschenswert, aber Bush sollte jede öffentliche Unterstützung für die EU-Verfassung und die deutsch-französischen Pläne zu einer gemeinsamen Außenpolitik vermeiden. Amerikas Präferenz müsse ein Europa der Nationalstaaten bleiben. Das erleichtere „Koalitionen der Willigen“ und gebe den USA mehr Flexibilität, ihre eigenen Ziele durchzusetzen.

So wundert es nicht, dass Gerhard Schröders Reformvorschläge zur Nato auf wenig Gegenliebe stoßen. Sie werden als Versuch gewertet, das Militärbündnis mit den USA zu marginalisieren und eine EU-Verteidigungsgemeinschaft zu schaffen. „Dies ist eine gefährliche Haltung“, sagt Hulsman.

Die Frage ist, wie viel Einfluss Rechtskonservative derzeit auf die Gestaltung der Außenpolitik in der US-Regierung haben. Die Invasion im Irak gehörte zu ihren Sternstunden. Die desaströse Besatzung ließ sie allerdings verstummen. Nun, nach den Wahlen dort und in Palästina sehen sie die Bush-Doktrin vom Demokratieexport bestätigt, werden wieder hörbarer und fordern einen Regimewechsel in Teheran. Der Streit um den Iran könnte daher zu einem Lackmustest von Bushs Versöhnungskurs mit Europa werden.