Death of a poet

VON HUNTER S. THOMPSON

Es war dunkel, als wir in Green Bay landeten, und der Flughafen war wie ein Friedhof. Die ganze Stadt stand unter Schock, nachdem die Kansas City Chiefs den hiesigen Packers am selben Tag eine vernichtende Niederlage beigebracht hatten … Ihr Selbstvertrauen war zerstört, Magic Man hatte versagt, Mighty Casey keinen Schlag gelandet.

Das Avis-Mädchen heulte unkontrolliert in seiner Kabine, als ich am Schalter ankam. Mein Herz hüpfte vor Freude, aber ich konnte mich ihr nicht verständlich machen. Sie hatte ihre Lebensfreude verloren.

„Nehmen Sie sich irgendein Auto“, sagte sie. „Mir egal, welches. Alles ist egal. Montag zieh ich nach Milwaukee.“

„Wen interessiert’s?“, sagte ich. „Geben Sie mir einen verdammten Schlüssel.“

Sie kam nicht in die Gänge, also ließ ich sie meine Faust spüren, und sie ging in die Knie.

„Ich hab noch mehr davon, wenn’s sein muss“, sagte ich ihr. Dann nahm ich mir einen Schlüsselbund vom Haken und hastete nach draußen, um mir ein Auto zu suchen. Ich hatte es eilig, zu Leach zu kommen, um mit ihm unseren großen Sieg zu feiern.

Die Adresse, die er mir gegeben hatte, stellte sich als Wohnwagensiedlung hinter den Schlachthöfen heraus. Er öffnete mir in einem schmutzigen, rindsledernen Bademantel die Tür. Seine Augen waren gerötet, seine Hände zitterten. In der Hand hielt er eine Zweiliterflasche Wild Turkey.

„Du kommst genau richtig“, sagte er. „Ich wollte mir eben die Pulsadern aufschneiden. Das ist der schlimmste Tag meines Lebens.“

„Unsinn“, sagte ich. „Wir haben gewonnen. Ich hab genauso gewettet wie du. Deine Nummern. Du hast sogar vorausgesagt, dass Kansas City den Packers den Arsch versohlen würde.“

F.X. verkrampfte sich, dann warf er den Kopf nach hinten und stieß einen hohen, bebenden Schrei aus. Ich packte ihn. „Reiß dich zusammen“, schnauzte ich los. „Was ist denn?“

„Ich hab meinen Verstand verloren“, sagte er. „Ich hab mich betrunken und meine Wette geändert. Und anschließend den Einsatz verdoppelt.“

Mir lief ein Schauer über den Rücken.

„Was!“, sagte ich. „Du hast auf die Packers gesetzt? Was ist passiert?“

„Ich bin mit ein paar Jungs aus dem Laden zu dieser großen Packers-Promo-Sause gegangen“, sagte er. „Wir haben Schnaps getrunken und rumgebrüllt, und ich hab meinen Kopf verloren … Es war unmöglich, gegen die Packers zu wetten in der Atmosphäre.“

Richtig. Leach war ein schlimmer Säufer, und er war süchtig nach Massenhysterie.

„Sie bringen mich um“, sagte er. „Um Mitternacht sind sie hier. Ich bin erledigt.“

Er ließ noch ein leises Heulen hören und langte nach der Flasche Wild Turkey, die umgefallen und ausgelaufen war.

„Warte“, sagte ich. „Ich hol ’ne neue.“

Auf dem Weg in die Küche wurde ich vom Anblick einer nackten Frau aufgeschreckt, die komisch zusammengesackt und mit einem verzweifelten Ausdruck in der Ecke saß, als wäre sie erschossen worden. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihr Mund stand offen, und sie schien ihre Arme nach mir auszustrecken. Ich machte einen Satz nach hinten und hörte Gelächter in meinen Rücken. Mein erster Gedanke war, dass Leach nach dem Desaster mit der Wette endgültig durchgedreht war und seine Frau nicht mehr nur verprügelt, sondern ihr, unmittelbar bevor ich kam, eine Kugel durch den Mund gejagt hatte.

Sie schien nach Hilfe zu schreien, aber sie hatte keine Stimme. Ich rannte in die Küche und suchte nach einem Messer – wenn Leach so weit gegangen war, seine Frau zu erschießen, dann würde er mich, als einzigen Zeugen, ebenfalls erschießen müssen.

Plötzlich stand er in der Tür, hielt die nackte Frau am Hals und schleuderte sie quer durch die Küche in meine Richtung … … Für einen Moment blieb die Zeit stehen. Die Frau schien in der Luft zu verharren und bewegte sich in der Dunkelheit wie in Zeitlupe auf mich zu. Ich nahm das Brotmesser, ging in Abwehrhaltung und bereitete mich auf einen Kampf vor. Dann traf mich das Ding, prallte sanft von mir ab und glitt zu Boden.

Es war eine aufblasbare Gummipuppe, eines dieser Dinger mit fünf Löchern, wie sie junge Börsenmakler in Sexshops kaufen, wenn die Single-Bars schließen.

„Darf ich vorstellen: Jennifer“, sagte er. „Mein Sandsack.“

Er griff die Puppe bei den Haaren und schleuderte sie gegen die Wand. „Ho, ho“, kicherte er. „Nichts mehr mit Frau verprügeln. Ich bin geheilt, dank Jennifer.“ Er grinste verlegen. „Es ist wie ein Wunder. Diese Puppen haben meine Ehe gerettet. Sie sind viel intelligenter, als man denkt.“ Er nickte ernst.

„Manchmal muss ich zwei auf einmal verprügeln, aber es funktioniert immer – es beruhigt mich, verstehst du?“

Oje, dachte ich. Willkommen im Abgrund. „Aber klar doch“, sagte ich schnell. „Wie sehen das die Nachbarn?“

„Da gibt es keine Probleme“, sagte er. „Die mögen mich.“

Mit Sicherheit, dachte ich. Ich versuchte mir vorzustellen, wie man seine Familie vor einem Dachschaden bewahrte, wenn man auf einem schlammigen Industriegelände voller Blechwohnwagen zu Hause war und beim Blick aus dem Küchenfenster einem Mann in einem ledernen Bademantel dabei zusehen konnte, wie er mit einer Literflasche Wild Turkey in der Hand zwei nackte Frauen durchs Zimmer prügelte, auch mal zwei oder drei Stunden lang, wenn’s sein musste … Ein Albtraum.

„Wie geht’s deiner Frau?“, fragte ich. „Wohnt sie noch hier?“

„Ja, ja“, sagte er schnell. „Sie ist nur eben Zigaretten holen. Sie muss gleich wieder da sein.“ Er nickte eifrig. „Sie ist so was von stolz auf mich, oh ja. Wir haben uns so gut wie versöhnt. Sie liebt diese Puppen.“

Ich lächelte, aber irgendwas an dieser Geschichte machte mich nervös.

„Wie viele davon hast du denn?“, fragte ich ihn.

„Keine Sorge“, sagte er. „Ich hab alles da, was wir brauchen.“

Er griff in eine Besenkammer und zog eine zweite heraus, eine halb aufgeblasene, chinesisch aussehende Frau mit Ringen in den Brustwarzen und zwei Kabeln am Kopf. „Das ist Ling-Ling“, sagte er. „Sie schreit, wenn ich sie schlage.“

Er boxte der Puppe ins Gesicht, und sie jammerte dümmlich. In dem Augenblick fielen draußen Autotüren zu; es klopfte laut an der Tür, und eine schroffe Stimme brüllte, „Polizei! Aufmachen!“

Leach zog eine 44er-Magnum aus einem Schulterhalfter unter seinem Bademantel hervor und gab zwei Schüsse auf die Tür ab. „Verdammte Schlampe“, schrie er. „Hätte ich dich längst umgebracht!“ Er gab zwei weitere Schüsse ab und lachte leise.

Dann wendete er sich mir zu und steckte sich den Lauf der Pistole in den Mund. Für einen Moment, in dem er mir direkt in die Augen blickte, zögerte er. Dann drückte er ab und ballerte sich den Hinterkopf weg.

Übersetzung des bisher noch nicht auf Deutsch vorliegenden Textes: Karsten Kredel