Zu Nazi- und SS-Vergangenheit kein Wort

Münsters Politiker machen sich für das „Westpreußische Landesmuseum“ stark. Doch die Konzeption des Hauses scheint fragwürdig: Das „dritte Reich“ wird kaum erwähnt, die Trägerstiftung trägt den Namen eines hochrangigen SS-Mannes

VON ANDREAS WYPUTTA

In der SS machte Erik von Witzleben schnell Karriere: 1940 auf Bitten eines SS-Oberführers mit einem „Führerdienstgrad“ in die nationalsozialistische Eliteorganisation aufgenommen, wurde der westpreußische Landadelige schon 1942 zum „Sturmbannführer“ befördert. „Von Witzleben kann und wird der SS noch wertvolle Dienste leisten“, so die Einschätzung der Nazis.

Die „Landsmannschaft Westpreußen e.V.“ schätzt Witzleben trotzdem. Eine Stiftung trägt noch heute seinen Namen – sie kontrolliert auch das „Westpreußische Landesmuseum“ in Münster-Wolbeck. Für das machen sich vor allem Politiker der CDU und FDP stark. Dagegen denkt Christina Weiss, Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, über eine Zusammenlegung mit dem ostpreußischem Pendant am Standort Lüneburg nach. „Der derzeitige Zustand ist auf Dauer für eine öffentlichkeitswirksame Museumsarbeit unzureichend“, schreibt Weiss in einer Stellungnahme, die der taz vorliegt.

Unzureichend erscheint auch das Konzept des Museums: Die Nazi- und SS-Vergangenheit des Stiftungsnamensgebers Witzleben wird ebenso verschwiegen wie das Konzentrationslager Stutthoff, wo Zehntausende umgebracht wurden. Der Zeitraum von der Angliederung Westpreußens an Polen bis zum Beginn der Vertreibung der Deutschen Ende des zweiten Weltkriegs wird kaum erwähnt, die Jahre 1920 bis 1945 werden fast komplett ausgeblendet. Dennoch macht sich Münsters Oberbürgermeister Berthold Tillmann für das Haus stark: Die Planungen von Weiss seien „höchst ärgerlich“, findet der Christdemokrat – der Chef der Stadtverwaltung will das Museum in Münster halten, träumt sogar von einem Neubau im Stadtteil Hiltrup.

Dabei kann sich Tillmann auf die Unterstützung weiterer prominenter Christdemokraten verlassen. Ruprecht Polenz, ehemals Generalsekretär der Bundes-CDU und Münsteraner Bundestagsabgeordneter, kämpft für das Museum, ebenso wie sein Parlamentskollege und Parteifreund Peter Paziorek. Rechtsanwalt Paziorek sitzt sogar im Stiftungsrat der nach dem SS-Mann Witzleben benannten Westpreußen-Stiftung, die vom Bund mit rund 485.000 und vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit knapp 100.000 Euro großzügig alimentiert wird.

Auf die SS-Vergangenheit Witzlebens angesprochen gibt sich die Politik unwissend. „Das höre ich zum ersten Mal“, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Daniel Bahr, auch er ein Kämpfer für das Museum. „Ich habe das bisher nur unter Standortgesichtspunkten betrachtet, bin kein Kulturpolitiker“, sagt der Liberale. Auch die Stadtverwaltung mauert: „Wir sind konzeptionell nicht verantwortlich“, findet Oliver Teuteberg, Referent von Münsters Oberbürgermeister Tillmann. Auch Ex-Generalsekretär Polenz will nichts von der SS-Mitgliedschaft Witzlebens wissen, lobt dagegen die Arbeit des Museums, dass sogar „eine Dependance in Polen“ unterhalte. Und der CDU-Bundestagsabgeordnete Paziorek, der als Mitglied des Witzleben-Stiftungsrates informiert sein müsste, war den gesamten gestrigen Tag nicht zu erreichen.

Eine konzeptionelle Überarbeitung der Museumsinhalte dagegen fordern derzeit nur die Grünen. Zusätzlich zum fast verschwiegenen Nationalsozialismus solle „ein seriöses Museum der Frage nachgehen, ob das ‚segensreiche‘ vorkoloniale Wirken des Deutschen Ritterordens im heutigen Nordpolen und Baltikum tatsächlich so unumstritten ist, wie es die Darstellung glauben macht“, schreiben die grünen Abgeordneten Winfried Nachtwei und Rüdiger Sagel.

Das aber dürfte die Witzleben-Stiftung verhindern: Als der Chef des Lüneburger Ostpreußen-Museums, Ronny Kabus, einer Enquete-Kommission des Bundestages mitteilte, der rechte politische Hintergrund der Landsmannschaft schade dem Ansehen des Museums, wurde ihm prompt Illoyalität vorgeworfen – und gekündigt.