Ein streitbarer Drucker

Josef Bergmann, überzeugter Kommunist, Leitfigur und Vater der Gruppe Arbeiterpolitik, starb im Alter von 91 Jahren. Für viele in der Neuen Linken in Hamburg ist „Pepp“, wie die engsten Freunde und Genossen ihn nannten, trotz mancher Differenzen Ziehvater und Vorbild gewesen

Von Kai von Appen
und Fritz Storim

Seine unmittelbaren Genossinnen und Genossen werden sich wohl so an ihn erinnern: „Er stellte seine Person nie in den Mittelpunkt, aber er mischte sich dennoch überall ein.“ Ob es spezielle betriebliche oder konkrete gewerkschaftliche Konflikte waren oder Dispute in der Anti-Atombewegung bis hin zur Solidarität mit den politischen Gefangenen – er war dabei. Die politischen Kontrahenten werden ihn wohl eher so beschreiben: „Er war ein geschätzter, interessanter und fairer Gesprächspartner, der viele Erfahrungen im Klassenkampf hatte und von dem man viel lernen und auf den man sich verlassen konnte.“

Josef „Jupp“ Bergmann – unter engen Genossen auch „Pepp“ genannt – analysierte, bewertete und konnte aufgrund seiner Erfahrungen oft Antworten liefern. Damit hat er sich nicht nur als Veteran der Weimarer Republik in der Neuen Linken Anerkennung verschafft, sondern auch als Denker danach. „Pepp“, der allein in Barmbek lebte, starb am vorigen Sonnabend im Alter von 91 Jahren .

Josef Bergmann wurde am 4. Oktober 1913 in Berlin als Sohn einer jüdischen Großfamilie – fünf Brüder, zwei Schwestern – geboren. In den Wirren der Weimarer Republik politisierte sich der Jugendliche schnell. Er setzte sich im „Sozialistischen Schülerbund“ gegen den Rauswurf von Sozialdemokraten ein und machte sich auch im „Kommunistischen Jugendverband“ (KJV) der KPD für die „Einheitsfront der Arbeiterschaft“ gegen den Faschismus stark. Doch die damalige KPD-Führung beharrte nach der für sie verlorenen Deutschen Revolution 1923 wegen des Verrats der Sozialdemokratie auf der Sozialfaschismus-Theorie und der Linie der „Revolutionären Gewerkschaftsopposition“ (RGO) gegen die angepasste Haltung des ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund).

Das führte für Josef Bergmann zum Bruch mit der KPD. „Die Gefahr der Machtübernahme durch die Faschisten ist unterschätzt worden“, sagte er später. 1928 schloss er sich den aus der KPD wegen ihrer Einheitsfront-Theorie ausgeschlossenen so genannten „Rechtsabweichlern“ Heinrich Brandler und Ernst Thalheimer an, die die KPO (Kommunistische Partei Opposition) gegründet hatten.

Nachdem die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, konnte sich der junge Pepp Bergmann zunächst noch einigermaßen durchwurschteln und machte 1935 seine Druckereilehre in Saarlouis. 1937 holte ihn die „Geheime Staatspolizei“ (Gestapo) in Berlin aus einem Betrieb, weil er angeblich die illegale KPD-Zeitung Rote Fahne verteilt hatte.

Anders als die KPD hatte sich die KPO auf die Illegalität vorbereitet. Über Frankreich und Dänemark floh Bergmann nach Schweden ins Exil. Als er 1946 über Lübeck zurückkehrte, erfuhr ihm das, was er bekämpfte: Vermutlich denunziert durch Ex-ADGB-Gewerkschafter landete er im Konzentrationslager Neuengamme, das die Alliierten zu einem „Internierungslager für Kriegsverbrecher“ umfunktioniert hatten. Auf Anweisung der örtlichen KPD-Führung hin harrte er dort zunächst aus, um das Verhältnis zu den britischen Besatzungstruppen nicht zu gefährden, bis er auf Druck der britischen Labour-Partei entlassen wurde.

Pepp bekannte sich aber auf Anregung der neuen KPD-Führung erneut zur Partei, bis er 1949 ausgeschlossen wurde, weil er der KPO angehört hatte. Jupp kehrte zur Brandler-Gruppe zurück, die 1948 die Gruppe Arbeiterpolitik gegründet hatte.

Obwohl er immer eine dominante Position einnahm – bei Diskussionen, aber auch in intellektuellen Debatten –, lehnte er stets Avantgarde-Ambitionen ab. „Die Zeit ist noch nicht da. Die Arbeiter müssen es selbst erkennen, dass sie ihre Belange in die Hand nehmen“, lautete seine Devise, während er sich seinerseits bemühte, junge Genossen, die in den siebziger Jahren nach Veränderung strebten, in ihrem Kampf zu bestärken. Obwohl er als Betriebsratsvorsitzender der Genossenschaftlichen „GEG Druckerei“ 1969 einem Komplott von Sozialdemokratie und Staatsschutz ausgesetzt gewesen und entlassen worden war – aufgrund einer Veröffentlichung zur neuen atomaren Bewaffnung der Bundesrepublik –, mahnte er stets, aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.

So als der Kommunistische Bund (KB) und die Kommunistische Partei (KPD/ML) zur gewerkschaftlichen Opposition aufriefen, um den sozialdemokratisch-verkrusteten DGB-Apparat aufzumischen. Während er die Gewerkschaften – gerade seine IG Druck und Papier (heute IG Medien in ver.di) – wegen der Ausschlusspolitik anprangerte, rief er gleichzeitig die linken Heißsporne zur Einheit auf.

Auch nach seiner Pensionierung gehörte Pepp daher zum engsten Beraterkreis der linken Gewerkschaftsbewegung. Er begleitete die Betriebsräte von Gruner+Jahr im Kampf gegen die neuen Technologien genauso wie den Arbeitskreis Neue Technologien der IG Druck und Papier, in dem Drucker und Setzer ihre Jobs zu verteidigen versuchten. Mit den großen Streiks 1976 und 1978 – bei denen es sogar gelang, die kompromissbereiten Gewerkschaftsfürsten zurückzupfeifen – erreichten sie zumindest eine Galgenfrist – nicht zuletzt dank Pepp.

Beisetzung: Sonnabend, 13 Uhr, Friedhof Ohlsdorf, Halle B