Senat lässt Gras drüber wachsen

Die Cannabis-Liberalisierung bleibt in Berlin auf der Strecke. Seit fast einem Jahr bastelt der Senat an einer Richtlinie. Offenbar gehen der Staatsanwaltschaft die klaren Vorgaben des Parlaments zu weit

VON ANNA STARK
UND PLUTONIA PLARRE

Die vor fast einem Jahr vom Abgeordnetenhaus beschlossene Cannabis-Liberalisierung ist bis heute nicht umgesetzt worden. Nach Informationen der taz blockiert vor allem die Staatsanwaltschaft das Verfahren. Ihr gehen die Vorgaben des Parlaments offenbar zu weit. Laut dessen Beschluss vom April 2004 sollte der Besitz von bis zu 15 Gramm Cannabis strafrechtlich grundsätzlich nicht mehr verfolgt werden. Bis zu einer Menge von 30 Gramm könne eine Einstellung des Verfahrens erwogen werden. Nun aber soll die Strafverfolgung vom exakten THC-Gehalt der vorgefundenen Droge abhängig gemacht werden.

„Das Thema ist eben nicht unumstritten, aber der Erlass ist formuliert und muss nun vom ganzen Senat abgesegnet werden“, erklärt Justizsprecherin Andrea Boehnke die unüblich lange Dauer des Verfahrens. Der Senat werde den Richtlinienvorschlag nun wohl nach Ostern dem Parlament präsentieren.

Selbst die Landesdrogenbeauftragte Elfriede Koller hat bisher nur einen Zwischenbericht aus der Justizverwaltung bekommen. Dennoch übt sie sich in Zweckoptimismus: „Anfang April wird man bestimmt zu Ergebnissen kommen.“ Aus an dem Verfahren beteiligten Senatsverwaltungen ist zu jedoch hören, dass vor allem die Staatsanwaltschaft quer schießt. Diese scheint sich mit dem Vorschlag durchgesetzt zu haben, ab einer bestimmten Menge die Verfahrenseinstellung von der Höhe des THC-Gehalts abhängig zu machen.

Tetrahydrocannabinol (THC) ist der berauschende Wirkstoff in Cannabis und Haschisch. In den letzten Jahren sei der THC-Gehalt gestiegen, so die Landesdrogenbeauftragte Koller. Womöglich wird daher der Parlamentsbeschluss entschärft: „Die Grenze kann wohl nicht bei 30 Gramm liegen, vielleicht bei 25, aber 10 Gramm reicht ja auch. Das ist eine ganze Menge“, so Koller.

Nach Angaben des Bundeskriminalamts(BKA) hat sich der Wirkstoffgehalt der in Deutschland erhältlichen Produkte jedoch nicht dramatisch entwickelt. Nach dem letzten vorliegenden Bericht von 2002 wurden „keine signifikanten Unterschiede zum Vorjahr“ festgestellt. Zwei Drittel der untersuchten Proben enthielten laut BKA zwischen 4 und 12 Prozent THC. Nach Angaben von Experten einer Drogenberatungsstelle erreichen nur Spezialzüchtungen aus Holland vereinzelt einen THC-Gehalt von über 20 Prozent. „Salopp gesagt sind das dann extrem starke Dröhnungen“, heißt es. Auch das BKA verzeichnet nur in absoluten Ausnahmefällen einen Wirkstoffgehalt bis zu 40 Prozent.

Der Mär vom drastisch gestiegenen Wirkstoffgehalt tritt auch der Drogenexperte Günter Amendt entgegen: „Das ist eine glatte Lüge.“ Schon immer habe es Cannabisprodukte mit sehr unterschiedlichem THC-Gehalt gegeben. So sei etwa der „Schwarze Afghane“ bei Amerikanern so beliebt gewesen, weil diese Sorten deutlich stärker seien als etwa der „Libanese“. Ähnlich wie beim Wein, bei dem auch nicht der Alkoholgehalt über die Qualität entscheide, sei es beim Haschisch auch nicht das THC, so Amendt.

Was in Berlin nun so kompliziert erscheint, gilt in Schleswig-Holstein schon lange. Dort wird nach Angaben eines Justizsprechers schon seit 1993 allein das Bruttogewicht von 30 Gramm zugrunde gelegt. „Der THC-Gehalt wird nicht berücksichtigt.“ Solange der Senat nicht zu Potte kommt, gilt in Berlin die alte Regelung: Straffreiheit wird nur bei einem Besitz von bis zu 6 Gramm Cannabis grundsätzlich gewährt.

Der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, verweist darauf, dass das Abgeordnetenhaus einen eindeutigen Beschluss gefasst habe: Bis 15 Gramm sei keine THC-Bestimmung vorzunehmen. Bei einer Menge zwischen 15 und 30 Gramm sei es denkbar, dass eine Analyse vorgenommen werde. Danach müsse sich der Senat richten.