300 Euro kassieren fürs Nichtstun

Seit die Agrarreform greift, können Landwirte ihre Flächen brach fallen lassen – und bekommen trotzdem einen großen Teil der 5,5 Milliarden Euro Subventionen jährlich. Besonders profitieren davon: die landwirtschaftlichen Großbetriebe im Osten

VON HANNA GERSMANN
UND BERNHARD PÖTTER

Sofa-Mulcher – das ist ein Job für eine neue Art von Bauern und Grundbesitzern. Ihre Felder bestellen sie selten oder lassen sie gleich brach liegen. Ab und zu mähen sie sprießende Gräser. Dafür gibt es gutes Geld. Möglich macht das die Agrarreform, die seit Januar greift. „Das ist ein Subventionsexzess“, kritisierte Jörg Gerke von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) gegenüber der taz.

Dabei hatten Umweltschützer, viele Kleinbauern und die grüne Bundesagrarministerin Renate Künast vom „Paradigmenwechsel“, den „richtigen Weichen“, der „Agrarwende“ gesprochen. Und tatsächlich werden die Brüsseler Milliarden für deutsche Bauern nach mehr als 50 Jahren endlich umgeschichtet.

Bislang bekamen diejenigen den größten Batzen, die besonders viel Bullen mästeten oder Mais produzierten. Jetzt richtet sich der Anteil, den es an der Geldspritze von insgesamt 5,5 Milliarden Euro gibt, zunehmend nach der Fläche des Hofes. So sollen Überschüsse vermieden werden. Voll wirken wird die Reform 2013. Dann erhalten Landwirte pro Hektar rund 300 Euro, egal was sie säen.

Das Problem: Eigentlich hatte Künast strikte Öko-Auflagen geplant. Sie scheiterte aber an den Agrarministern der unionsgeführten und der ostdeutschen SPD-Länder. So sind Prämien selbst dann garantiert, wenn Wiesen und Felder nur einmal im Jahr gemulcht – Pflanzen gemäht, zerkleinert und liegen gelassen werden.

Aus ökologischer Sicht sei das schon kritisch, sagt Reinhild Benning, Agrarexpertin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, „weil Insekten, Würmer und andere Kleintiere dabei regelrecht gehäckselt werden“. Den Bauer kostet das nur 30 Euro pro Hektar. So erntet er 270 von den 300 Euro Prämie.

AbL-Mann Gerke hat ausgerechnet, was das schon heute für einen Großbetrieb im Osten mit 1.000 Hektar Grünland, 1.000 Kühen und sechs Mitarbeitern heißt. Er nimmt an, dass Letztere – wie schon viele auf LPG-Nachfolgebetrieben in der Brandenburger Uckermark oder der Sachsen-Anhalter Altmark – entlassen werden. Kühe werden abgeschafft. Lohnarbeiter mulchen. Ein Ökobonus wird beantragt. Der Bauer, sagt Gerke, kann „eine feudale Leibrente von mehr als 360.000 Euro im Jahr“ einstreichen.

Die Prämie ist wertvoll. So wertvoll, dass sie gehortet wird. Fall 1: Der Eigentümer gibt den Hof auf. Er verpachtet die Fläche nicht, sondern kassiert die Prämie. Allerdings sind Zweidrittel der Äcker und Weiden in Deutschland verpachtet. Wahrscheinlicher ist deshalb Fall 2: Der Pächter löst seinen Vertrag. Er gibt den Acker an den Eigentümer zurück, behält aber das Prämienrecht. Denn das steht grundsätzlich dem zu, der die Felder am 1. Januar 2005 bewirtschaftet hat. Folge: Felder ohne Prämie verlieren an Wert. Zahlungsansprüche werden künftig wie Milchquoten gehandelt. Davon profitieren laut Gerke vor allem „die großen Betriebe im Osten, die in den letzten Jahren viele Hektar billig gepachtet haben“. Im Nachteil ist, wer neu einsteigt.

Allerdings stellte EU-Agrarkommissar Franz Fischler noch im letzten Oktober fest: Sofa-Mulcher seien nicht prämienberechtigt. Brüssel werde das nicht gelten lassen. Mittlerweile ist der Österreicher abgetreten, die Dänin Mariann Fischer Boel zuständig. Aber Lutz Ribbe, Agrarexperte von Euronatur, hofft, dass auch sie die Künast-Reform neu verhandeln will. Er sagt: „Ödland ist keine Landwirtschaft.“