CDU schmeißt die Rote Armee raus

Die massive Kritik an dem rechtslastigen Beschluss zeitigt Wirkung: CDU in Steglitz-Zehlendorf will neuen Gedenktext zum Kriegsende vereinbaren. Der könne ohne Verweis auf die Rote Armee auskommen. SPD, PDS und Grüne skeptisch

Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf soll nun doch nicht am 60. Jahrestag des Kriegsendes explizit der Opfer der Roten Armee gedenken. Der entsprechende von CDU und FDP im Bezirksparlament (BVV) durchgesetzte Beschluss soll nun durch eine parteiübergreifende Erklärung ersetzt werden, sagte Karl-Georg Wellmann, CDU-Direktkandidat im Abgeordnetenhaus aus Steglitz-Zehlendorf.

Im Januar hatte die BVV mit Stimmen von CDU und FDP beschlossen, dass der Bezirk in einer Veranstaltung zum 8. Mai auch an „den Schrecken und das Leid der Bevölkerung“ erinnert, „den die Rote Armee von Ostpreußen bis nach Berlin zu verantworten hat“. Damit wurde die Einzigartigkeit der NS-Verbrechen relativiert.

Erst vor einer Woche hatte die FDP des Südbezirks bedauert, durch den Beschluss die Gefühle der Opfer des Naziregimes verletzt zu haben. Nun zieht die Union nach. Die BVV-Fraktion habe inzwischen eingesehen, dass „man die Formulierung glücklicher fassen könnte“, sagte Wellmann. Es gebe die Opfer von Auschwitz, die Bombenopfer, Vertriebene und die von der Roten Armee vergewaltigten Frauen, sagte Wellmann. Das seien Tatbestände, „die man historisch nicht in einen Topf vermischen sollte. Vor allem nicht am 8. Mai.“ Eine entsprechende Erklärung hat Wellmann zusammen mit dem CDU-Fraktionschef der BVV, Norbert Kopp, formuliert.

Kopp möchte nun die Vertreter der anderen Fraktionen zu einem Gespräch einladen mit dem Ziel einer gemeinsamen parteiübergreifenden Begehung des 8. Mai. Die Einladungen seien bereits verschickt worden. Einen konkreten Textvorschlag werde die CDU-Fraktion in Steglitz-Zehlendorf vorerst nicht formulieren. „Sonst wird der ja gleich zerrissen“, so Wellmann.

Mit ihrer Initiative ist die Union offensichtlich bemüht, sich aus der rechten Ecke herauszubewegen. Dort steckt sie vollends fest, seit ihr Bezirksverordneter Torsten Hippe im Laufe der Gedenkdebatte gesagt hatte, er könne nicht verhindern, dass er in einzelnen Fragen der NPD nahe stehe. Der CDU-Landesvorstand hatte Hippe daher parteischädigendes Verhalten vorgeworfen und seinen Ausschluss beantragt. Der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) sagte, „auch ein Bezirksverordneter muss jeden Anschein einer Nähe zu einer rechtsradikalen Partei vermeiden“. Alles andere sei „politische Dummheit und parteischädigendes Verhalten“. In seinem Bezirk fand Hippe jedoch Unterstützung. Die BVV-Fraktion hatte Hippes Ausschluss einstimmig abgelehnt. Das wurde auch als Affront gegen CDU-Landeschef Joachim Zeller gewertet.

Die anderen Fraktionen reagierten zunächst ablehnend auf das Gesprächsangebot der CDU. Irmgard Franke-Dressler (Grüne) wiederholte ihre Forderung: Solange der Beschluss nicht komplett zurückgezogen werde, gebe es keine neuen Verhandlungen: „Die Tür ist zu.“ Zusammen mit der SPD hätten die Grünen ohnehin beschlossen, für den 8. Mai eine alternative Veranstaltung vorzubereiten. Die fraktionslose Abgeordnete Sieglinde Wagner (PDS), die das Thema „Gedenken am 8. Mai“ ursprünglich in die BVV eingebracht hatte, rechnet nicht damit, von der CDU angesprochen zu werden. Aber auch sie sprach sich gegen Gespräche aus, solange auf Basis des bestehenden Antrags verhandelt werde. „Dieser Antrag ist nicht kompromissfähig“, sagte Wagner.

Derweil konzentriert sich die Kritik auf Bezirksbürgermeister Herbert Weber (CDU). Der hatte den ursprünglichen Beschluss verteidigt und gesagt, die Beschränkung des Gedenkens auf zwölf Jahre Nazi-Diktatur sei eine „sublime Form der Geschichtsfälschung“. Jüdische Gemeinde und Oppositionsparteien fordern Weber auf, sich von seinen Äußerungen zu distanzieren. Die SPD berät am Montag, ob gegen Weber ein Abwahlantrag eingebracht wird. FELIX LEE