Pflege für Menschen in der Pampa gesucht

Die Versorgung von alten und kranken Menschen wird in NRW bald nicht mehr von der Familie getragen. Vor allem auf dem Land bricht in wenigen Jahren der Pflegenotstand aus, prophezeit eine Untersuchung des Landtags

DÜSSELDORF taz ■ Pflege ist in Nordrhein-Westfalen keine Privatsache mehr. Zu diesem Ergebnis kommt die vom Düsseldorfer Landtag eingesetzte Enquetekommission zur Pflege. „Die potenzielle Zahl von Helfern aus dem familiären Umfeld wird weiter abnehmen“, heißt es in dem gestern in Düsseldorf vorgestellten Abschlussbericht der Kommission, in der CDU, SPD, Grüne und FDP vertreten sind.

Derzeit trügen die Angehörigen als „größter Pflegedienst der Nation“ die Hauptlast, sagte SPD-Kommissionsmitglied Ralf Jäger. Dies sei wegen des demographischen und sozialen Wandels künftig immer weniger möglich. Deshalb werde die Bedeutung der professionellen Pflege wachsen. „Es besteht großer Handlungsbedarf“, sagte die Vorsitzende der Enquetekommission, Angelika Gemkow von der CDU.

Der Pflegenotstand wird auf dem Land wesentlich drastischer sein als beispielsweise im Ruhrgebiet – hier leben wesentlich mehr Familien und Alte als in den singlereichen Städten. So wird die Zahl der Pflegebedürftigen in Heinsberg bis 2020 um bis zu 68 Prozent steigen, in Neuss um 64 Prozent und in Wesel um 61 Prozent. Hingegen werden die Steigerungsraten in den großen Städten insbesondere des Ruhrgebietes unter 20 Prozent liegen. Das Land wird insgesamt seine pflegebedürftigen BürgerInnen kaum versorgen können. Schon jetzt leben in NRW etwa 460.000 Pflegebedürftige, von denen etwa 70 Prozent zu Hause betreut werden. Bis zum Jahr 2040 wird sich nach Berechnungen der Kommission die Zahl der Pflegefälle aber um rund 50 Prozent auf etwa 700.000 erhöhen.

Jetzt will das Land neue PflegerInnen finden. Wie allerdings der knochenharte und niedrig bezahlte Job attraktiver werden könne, weiß auch die Kommission nicht. Die vorhandenen Arbeitskräfte sollen aber besser aus- und fortgebildet werden. Nur selbstbewusstes Personal in den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen sei in der Lage, Pflegemängel und Pflegefehler zu verhindern.

Als „eher ernüchternd“ bezeichnete die Kommission die Bestandsaufnahme bei den Pflegeheimen. Diese Formulierung ist allerdings noch sehr zurückhaltend: Die Untersuchung ergab, dass die alltägliche Versorgung der Pflegebedürftigen oft auf das Notwendigste beschränkt wird. In vielen Heimen gibt es keine ausreichende Personalausstattung. Viele Stationen müssten umgebaut werden, um die Lebensqualität der dort Gepflegten zu verbessern.

Am besten aber sollten die Alten und Kranken zu Hause bleiben: Wohnungen und Wohnumfeld müssten so angepasst werden, dass ältere Menschen auch bei gesundheitlichen Einschränkungen möglichst lange zu Hause leben könnten, erklärten die Parteien gestern einmütig. Davon betroffen wären zurzeit rund 135.000 Pflegebedürftige in nordrhein-westfälischen Heimen. Etwa 80 Prozent von ihnen sind allein stehende Frauen. „Die ambulante Betreuung muss Vorrang haben“, sagte die grüne Sozialpolitikerin Barbara Steffens. Die meisten Menschen wünschten, weiter in den eigenen vier Wänden zu leben. JOE