Nur Häme für moderne Denkmalkunst

Die Kulturbeflissenen in der Landes-CDU diskutierten am Mittwochabend über Alexandra Hildebrandts Privatdenkmal: den Kreuz-Wald am Checkpoint Charlie. Am Ende waren mal wieder die bösen Kommunisten an allem schuld

Anfangs schien noch die Hoffnung berechtigt, dass hier statt Polemik ein wirklicher Austausch von Argumenten möglich sein könnte. Das „Forum Kultur“ der Landes-CDU hatte am Mittwochabend ins Abgeordnetenhaus geladen, um über das derzeit umstrittenste Denkmal der Stadt zu diskutieren: den Wald an Mauerkreuzen am Checkpoint Charlie. Und immerhin: Gleich der erste Redner, der Berliner Kunstwissenschaftler Christian Saehrendt, machte in einer kurzen Eröffnungsrede von seiner Ablehnung des Kreuz-Waldes keinen Hehl. Hoppla, dachte man sich, das könnte ja eine interessante Diskussion werden.

Doch schon die nächste Stellungnahme – die der Initiatorin des Denkmals, Alexandra Hildebrandt – zeigte an, woher an diesem Abend der Wind wehen sollte: Die Chefin des „Hauses am Checkpoint Charlie“ erklärte in ihrer gewohnt emotional-pathetisch-wirren Art, dass das Ganze ja nur „ein Vorschlag“ sei – um im Laufe des Abends jedoch zu betonen, dass man diesen „Vorschlag“ keinesfalls entfernen wolle. Auch nicht, wenn ein Gericht die Räumung anordnen sollte. Ein Prozess darüber beginnt Ende kommender Woche.

Der Vizepräsident des Abgeordnetenhauses und ehemalige CDU-Landesvorsitzende, Christoph Stölzl, vergaß im Laufe des Abends immer mehr seine neutrale Rolle als Moderator und Gastgeber der Diskussion. Der Senator a. D. polemisierte gegen den „archäologischen Fetischismus“ derjenigen, die gegen den Kreuz-Wald samt Mauerrekonstruktion einwenden, dass er Authentizität suggeriere, die schlicht falsch sei.

Gegen das Argument Saehrendts, ein solch wichtiger öffentlicher Ort wie der Checkpoint Charlie sollte kein Privat-Denkmal à la Hildebrandt haben, sondern ein öffentlich diskutiertes und beschlossenes Denkzeichen, hatte der Historiker Stölzl ein besonders putziges Gegenargument: Könige hätten zur Gestaltung ihrer angeblich privaten Denkmäler ja auch kein öffentliches Gremium beauftragt. Außerdem habe der Gestalter der Louvre-Pyramide und des Neubaus des Deutschen Historischen Museums, I. M. Pei, das Denkmal zur Bücherverbrennung am Bebelplatz geringschätzig als „just an idea“ abgetan, während ihm die aufgeblasene Kollwitz-Plastik in der Neuen Wache, selbstherrlich damals vom Kanzler Kohl bestimmt, sehr gefallen habe. Kurz: Starke Männer sollten die Form von Denkmälern bestimmen – basta!

Den Tiefpunkt der Diskussion aber erreichte mühelos der CDU-Kulturpolitiker Uwe Lehmann-Brauns. Auch er polemisierte gegen das Bebelplatz-Denkmal, lobte den Kreuz-Wald am Checkpoint Charlie („Das ist ein Stück Kunst!“) und griff den Kultursenator und ehemaligen Baustadtrat von Mitte, Thomas Flierl (PDS), massiv an: Der wolle die Erinnerung an die Mauer „entsorgen“ und gehöre sowieso „zum Täterbereich bis 1989“.

Fast unnötig zu erwähnen, dass sich die vielen SED-Opfer und ihre Verbandsvertreter im Publikum in ihrer üblichen Bitternis über den rot-roten Senat und dessen Art des Gedenkens an die deutsch-deutsche Teilung echauffierten. Alexandra Hildebrandt dagegen wurde von DDR-Geschädigten mehrmals für ihr Privatdenkmal gelobt – so dass am Ende der Muff des Kalten Krieges mal wieder über allem schwebte. Nur eine ältere Westberlinerin wagte es, die Gedenkstätte an der Bernauer Straße und das Bebelplatz-Denkmal zu loben. Sonst war von den Diskutanten dieser Generation wenig mehr als Häme für moderne, zurückhaltende Denkmalkunst zu hören. Alexandra Hildebrandt dürfte glücklich ins Bett gesunken sein. PHILIPP GESSLER