„Die Hauptstadt der Zeitgeschichte“

In den kommenden Monaten werden sich rund 300 Veranstaltungen in Berlin und Brandenburg mit dem Kriegsende vor 60 Jahren und seinen Folgen beschäftigen – „Tendenz steigend“. Alles unter der Schirmherrschaft des Kanzlers

Dass in der Hauptstadt das Gedenken an das Kriegsende vor 60 Jahren massiv sein würde, war zu erwarten – dass es aber eine solche Masse an Veranstaltungen rund um den 60. Jahrestag des 8. Mai 1945 geben würde, hat dann selbst die Verantwortlichen für das „Berliner Themenjahr 2005: ‚Zwischen Krieg und Frieden‘“ erstaunt: Rund 300 Veranstaltungen werden sich in Berlin und Brandenburg mit diesem historischen Datum, seiner Vor- und Nachgeschichte beschäftigen, „Tendenz steigend“. Allein in der Zeit von heute bis Ende Mai haben die Organisatoren der Dachveranstaltung „Zwischen Krieg und Frieden“, die ein eigenes Logo schmückt, mehr als 100 Veranstaltungen registriert. Berlin, das ist in diesen Monaten ein einziger großer Gedenkort.

Bei der gestrigen Vorstellung des Themenjahrs, das unter der Schirmherrschaft des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) steht, gab Kultursenator Thomas Flierl (PDS) die Richtung vor, die seiner Ansicht nach das Gedanken haben sollte. Der 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung von einer menschenverachtenden Diktatur – „das, nur das ist die historische Bedeutung des Tages“, sagte er mit Blick auf die immer noch nicht ausgestandene Diskussionen: Wurden die Deutschen nun geschlagen oder befreit? Und: Welche Rolle spielt dabei das Gedenken an die deutschen Opfer des Krieges und der Vertreibung?

Flierl jedenfalls verwies auf die Worte Richard von Weizsäckers vor 20 Jahren, dass der 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933, dem Tag der Machtübernahme durch die Nazis, zu trennen sei – „und damit ist eigentlich alles gesagt, was man so kurz dazu sagen kann“. In diesem „besonderen Jahr der Zeitgeschichte“ sei Berlin so etwas wie „die Hauptstadt der deutschen Zeitgeschichte“. Zu lernen sei, dass jemand, der aus der Geschichte nicht lerne, verdammt sei, sie zu wiederholen. Und, ein Wort Erich Frieds aufnehmend: „Einer muss den Frieden beginnen wie einer den Krieg.“ Solche Erkenntnisse drängen „am Ende“ hoffentlich auch in die BVV Steglitz-Zehlendorf, sagte Flierl in einer kleinen Spitze gegen die dortige CDU und ihr Geschichtsverständnis.

Das „Aufbranden des Gedenkens“ 60 Jahre nach dem Kriegsende habe auch damit zu tun, dass die letzten Täter aufgrund ihres Alters nun strafrechtlich kaum noch belangt werden könnten, während die letzten Zeitzeugen gleichwohl noch erzählen könnten, so der Chef des Deutschen Historischen Museums Unter den Linden, Hans Ottomeyer. Er verwies in der Fülle der Gedenkveranstaltungen vor allem auf drei große Ausstellungen, die voraussichtlich das Hauptinteresse im Gedenkjahr auf sich ziehen werden: „1945. Der Krieg und seine Folgen. Kriegsende und Erinnerungspolitik in Deutschland“ in seinem eigenen Haus sowie die Ausstellungen über Fotografien alliierter Soldaten im AlliiertenMuseum und über die sowjetische und postsowjetische Erinnerung an den Krieg im Museum Karlshorst. Informationen zu sämtlichen Veranstaltungen des Themenjahrs sind unter www.zwischen-krieg-und-frieden.de abrufbar. PHILIPP GESSLER

siehe porträt zum kriegsende SEITE 23