kuckensema: auf bremens leinwänden
: „Goldfish Memory“ ist eine irische Komödie über Sex

Arm aber glücklich, konservativ und hochromantisch: Die Iren boten lange eine ideale Projektionsfläche für die Aussteigerphantasien des unter dem Stress des modernen Lebens leidenden Westeuropäers. Doch eines waren die erzkatholischen Iren nie: Sexy! Wenn nun also eine lesbische Filmemacherin in Dublin eine Komödie über die schnell wechselnden Beziehungen einer Handvoll junger und attraktiver Frauen und Männer macht, dann ist das schon eine kleine Sensation, gerade weil dieser Film im Grunde genauso gut in London, Paris oder Berlin spielen könnte.

Seit den 90er Jahren boomt Irland mit Hilfe der wirtschaftlichen Förderung durch die EU, und „Goldfish Memory“ ist vielleicht der erste Film, in dem diese Entwicklung nicht nur gespiegelt, sondern auch gefeiert wird. Das Dublin von Liz Gill ist eine moderne Metropole, unterlegt mit weichgespültem Bossa Nova sieht man beliebige Postkartenansichten einer austauschbaren, globalen Großstadt.

Und genauso austauschbar sind in „Goldfish Memory“ auch die Beziehungen zwischen den Protagonisten. „Das Erinnerungsvermögen eines Goldfisches beträgt nicht mehr als drei Sekunden“ ist der oft wiederholte Kernsatz des Films, und wie sich die Fische nach einer Runde im Aquarium wieder ganz neu kennen lernen, so wechseln auch die Menschen ihre Partner, sobald die ersten Schwierigkeiten auftauchen. Sie treffen und verlieben sich, schlafen miteinander und trennen sich, damit das Gleiche wieder von vorne beginnen kann.

Am besten wird der Film auf den Punkt gebracht, wenn die Nadel des Plattenspielers einmal bei der Liedzeile „I Love You“ hängen bleibt, und alle dazu ausgelassen zu tanzen beginnen. In der Auswahl ihrer Zeichen und Metaphern ist Liz Gill nicht gerade subtil, doch dafür hat sie einen ausgeprägten Sinn für Humor, durch den diese Komödie trotz oder vielleicht auch gerade wegen der vielen Kreisbewegungen nie zu seicht wird und immer unterhaltsam bleibt.

Zu den Liebes-Kreisen: Die Fernsehjournalistin Angie verliebt sich in Clara, aber diese fühlt sich in dieser Beziehung bald durch deren Eifersucht eingeengt. Clara beginnt eine Liebschaft mit Isolde, die bald scheitert, weil nun sie die Klammernde ist. Der Dozent Tom kriegt die jüngsten und schönste Studentinnen mit Rilke-Gedichten herum, bis er unsanft daran erinnert wird, dass er selber immer älter wird. Der Fahrradkurier verliebt sich in den Barmann, die schöne Kunststudentin Isolde entdeckt, dass Sex nicht nur mit Männern Spaß macht usw., usw. Die einzelnen Episoden sind amüsant erzählt, aber wirklich mitleiden kann man mit keinem dieser Liebenden, denn dazu sind sie einfach zu oberflächlich.

Wenn man den Film etwa mit dem oscar-nominierten „Hautnah“ von Mike Nichols vergleicht, der von einem ähnlichen Reigen sexueller Beziehungen erzählt und dabei viel tiefer geht, dann tut dies „Goldfish Memory“ gar nicht gut. Aber diesen Anspruch hat Liz Gill auch gar nicht, es geht ihr auch nicht um die einzelnen Romanzen, sondern um das in ihrem Film wohl doch eher erträumte tolerante soziale Klima. Denn die Mehrzahl der Protagonisten ist schwul oder lesbisch, und sie können ihre Liebschaften ganz selbstverständlich und in der Öffentlichkeit ausleben. Da schaut höchstens mal ein Kollege ein wenig erstaunt, wenn zwei Frauen sich küssen, aber es kein einziges Indiz dafür, dass es in diesem Dublin nicht selbstverständlich ist, wenn zwei Männer sich auf der dasselbe tun. Wenn das möglich ist, warum soll dann das lesbische Paar zum Happy End nicht auch noch das gewünschte Baby bekommen? Das Irland dieses Films ist eine schöne, neue Welt. Wilfried Hippen

„Goldfish Memory“ läuft in der Originalfassung mit Untertiteln von Do bis Sa um 20.30, sowie am So & Di um 18.00 im Kino 46