Bürger husten dem Senat was

Drei AnwohnerInnen der Frankfurter Allee verklagen den rot-roten Senat wegen zu dreckiger Luft. Die Umwelthilfe zahlt den Prozess. Stadtentwicklungsbehörde freut sich auf „juristische Klärung“

von ULRICH SCHULTE

Die Deutsche Umwelthilfe und drei BerlinerInnen husten dem rot-roten Senat was: Gestern, Punkt 13 Uhr, haben AnwohnerInnen vor dem Verwaltungsgericht gegen zu hohe Luftverschmutzung vor ihrer Haustür geklagt. „Mit seinem Luftreinhalteplan, dessen Instrumente oft erst ab 2008 greifen, reagiert der Senat viel zu langsam auf das Problem des Krebs erregenden Feinstaubs in der Luft“, sagte Umwelthilfe-Geschäftsführer Jürgen Resch gestern der taz. „Mit der Klage wollen wir notwendige Sofortmaßnahmen erzwingen.“ Die Umweltschutzorganisation übernimmt die Prozesskosten.

Die Umwelthilfe unterstützt die Klage dreier BürgerInnen, die an Frankfurter Allee und Frankfurter Tor wohnen. An der Allee in Friedrichshain müssen die BerlinerInnen besonders viel Feinstaub schlucken – ein Gemisch aus Dieselruß, Reifenabrieb, Industrieabgasen und anderen netten Dingen. An 20 Tagen lagen hier die Feinstaubwerte laut Umweltbundesamt bisher höher, als die EU erlaubt. Seit dem 1. Januar liegt der Richtwert bei 50 Mikrogramm Staub pro Kubikmeter Luft. Mehr darf an höchstens 35 Tagen pro Jahr herumschweben. Dass Berlin diese Marke in vielen Innenstadtstraßen knacken wird, ist so gut wie sicher.

Mit der Klage gegen das Land – „vertreten durch die Stadtentwicklungsverwaltung“ – wollen die Umweltschützer dem Senat jetzt Dampf machen. Schon innerhalb der nächsten sechs Monate hoffe man auf einen positiven Bescheid, sagt Resch. „Ich bin auf die kreativen Instrumente gespannt, die sich das Land beim entsprechenden Urteil ausdenken wird.“ Der Umwelthilfe-Geschäftsführer hätte schon einige parat: Der Senat müsste die Bürger ständig über Feinstaubwerte informieren, könnte dazu auffordern, auf Privatfahrten zu verzichten oder Sonntagsfahrverbote durchsetzen. Die Stadtentwicklungsverwaltung überraschte gestern mit der interessanten Volte, sich als Beklagte zu freuen: „Bei der EU-Richtlinie ist eine juristische Klärung wünschenswert, so bekommen wir Rechtssicherheit“, sagte Sprecherin Manuela Damianakis. Die Behörde sehe dem Streit – selbstverständlich – gelassen entgegen: Durch Maßnahmen wie intelligente Verkehrsleitung, den Ausbau des Nahverkehrs durch Busbeschleunigungsspuren oder Heizungssanierungen sei in den letzten Jahren die Belastung kontinuierlich zurückgegangen, so Damianakis.

Außerdem hofft der Senat, dass die Gerichte rot-rote Ökoanstrengungen wie den Luftreinhalteplan, der bis 2010 gültig ist, stark gewichten. Der beinhaltet zum Beispiel eine Umweltzone, die Dieselstinker ab 2008 aus der Innenstadt verbannen soll. „Die Idee ist wunderbar, greift aber drei Jahre zu spät“, sagt Resch. Fabian Löwenberg, Rechtsanwalt der Umwelthilfe, urteilt: „Der Plan verzichtet auf alles, was zur sofortigen Minderung der überhöhten Feinstaubbelastung an den Hauptverkehrsadern der Innenstadt geeignet wäre.“

Dennoch ist es etwas fies, dass sich die Umwelthilfe ausgerechnet die Hauptstadt für ihre Musterklage ausgesucht hat. In der Münchner Landshuter Allee lagen die Messwerte schon an 33 Tagen zu hoch. Den aufmerksamkeitsheischenden Hauptstadteffekt gibt Resch offen zu – kündigt aber an, auch die Städte München, Stuttgart, Dortmund und Düsseldorf notfalls vor Gericht zu zerren.