feinstaub
: Großstadtflaneure dürfen träumen

Drei BerlinerInnen haben die Schnauze voll, im wahrsten Sinne des Wortes. Dass irgendjemand irgendwann im Laufe des Jahres gegen zu hohe Feinstaubwerte vor Gericht ziehen wird, war so gut wie sicher. Schließlich garantieren die EU-Werte endlich das Recht auf einigermaßen saubere Luft. Dass es der berühmten Berliner an Sauberkeit mangelt, haben die Messstationen Jahr für Jahr gemeldet. Die mit großem Bohei eingereichte Klage wird an Berlins Feinstaubproblem nichts ändern. Und dennoch ist sie notwendig.

KOMMENTARVON ULRICH SCHULTE

Warum ändert sie nichts? Den Krebs erregenden Staub politisch aus der Luft zu waschen, ist eine mühselige Prozedur. Viel kommt aus dem Umland, polnische Industrieabgase kann der Senat nicht um die Stadt herumleiten. Und Fahrverbote, wie sie etwa Italiens Kommunen hektisch verkünden, ändern aufs Jahr gerechnet nichts an der Staubbelastung – Autofahrer stinken zudem die Umleitungen zu. Und der Erfolg der Klage ist ungewiss: Der Senat hat mit dem Luftreinhalteplan ein ambitioniertes Programm gegen Feinstaub vorgelegt, das Gericht wird das würdigen. Ob es die Regierung zu schnellen Maßnahmen verdonnert, wie sie die Umwelthilfe will, ist mehr als fraglich.

Warum also ist die Klage dennoch notwendig? Sie macht den politisch Verantwortlichen Druck, sich nicht auf dem Reinhalteplan auszuruhen. Auch wenn das Papier lobenswert ist, hat Rot-Rot in puncto Staub in den letzten Jahren viel verpennt. Vielleicht stoßen die Richter gar eine neue Debatte über billigeren Nahverkehr an.

Das beste Argument für die Klage aber liefern Zahlen. Bundesweit sterben 65.000 Menschen pro Jahr, weil sie zu viel der gefährlichen Mixtur eingeatmet haben. Zum Vergleich: Im Straßenverkehr gab es 2004 knapp 5.900 Tote. Alles, was die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert, ist angesichts dessen willkommen.

Großstadtflaneure können jedenfalls bis auf weiteres tagträumen: Man stelle sich vor, das Gericht erklärte Friedrichshain im Herbst kurzerhand zur Fußgängerzone. Spaziergänge mitten auf der Frankfurter Allee im klaren Septemberlicht, begleitet vom wütenden Motorengeheul der Autolobbyisten – das wäre doch wahre Lebensqualität.