Skandal um Deutsche Bank in Polen

Polnische Journalisten werfen dem Geldhaus vor, für die geplante Übernahme der BIG Bank Gdanski 6,5 Millionen Dollar Schmiergeld gezahlt zu haben. Der Deal wurde angeblich über eine Scheinfirma auf der Steuerparadiesinsel Jersey abgewickelt

aus WarschauGABRIELE LESSER

Die Deutsche Bank soll 6,5 Millionen Dollar Schmiergeld gezahlt haben, um die polnische BIG Bank Gdanski übernehmen zu können. Dies berichtete gestern die für ihren investigativen Journalismus bekannte Warschauer Tageszeitung Rzeczpospolita auf ihrer Titelseite.

Ein kleines Notizheft und einige Telefonnummern führten die polnischen Journalisten auf ihre Spur. Das Notizbuch gehört Wladyslaw Jamrozy, dem früheren Chef von Polens größter Versicherung PZU. Letzte Woche musste er vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Warschau erklären, wie es zum verdächtig hohen Wertverfall der PZU kurz vor ihrer Privatisierung gekommen war.

Im Notizbuch, das die polnische Presse vor einigen Tagen veröffentlichte, fanden sich auch Telefonnummern von der Insel Jersey. Sie führten unter anderem zur Consultingfirma Astra Financial Services Limited, mit der die Deutsche Bank 1998 einen Beratervertrag geschlossen hatte.

Die Firma sollte der Deutschen Bank beim Einstieg in den lukrativen polnischen Bankenmarkt helfen. Ziel war die feindliche Übernahme der BIG Bank Gdanski. Die damals fünftgrößte Bank Polens gehörte einer Reihe von Großaktionären, darunter auch den beiden größten staatlichen Versicherungen Polens, PZU und PZU Leben.

Tatsächlich gelang es der Deutschen Bank im Jahr 2000 für eine kurze Zeit, die Kontrolle über den Vorstand und den Aufsichtsrat der BIG Bank Gdanski zu gewinnen. Gegen die Anweisung der polnischen Regierung, die befürchtete, dass der ganze polnische Bankensektor in ausländische Hand geraten könnte, hoben die beiden Versicherungschefs in der Aktionärsversammlung ihre Hand überraschend für die Deutsche Bank.

Der politische Skandal hätte größer nicht sein können. Der Finanzminister kehrte aus dem Urlaub zurück, die Versicherungschefs Jamrozy und Grzegorz Wieczerzak wurden vom Dienst suspendiert, die Warschauer Börse zog die BIG-Bank-Aktien vorläufig aus dem Verkehr.

Den Vertrag zwischen der Deutschen Bank und der Consultingfirma auf der Insel Jersey hat es 1998 tatsächlich gegeben, wie jetzt beim Verhör Jamrozys vor dem Untersuchungsausschuss herauskam. Da der politische Druck nicht nachließ, gab die Deutsche Bank die Übernahmepläne für die BIG Bank Gdanski Mitte 2000 auf. Die Consultingfirma Astra Financial Services Ltd. aber schickte der Deutschen Bank ihre Rechnung in Höhe von 6,5 Millionen Dollar für „Beratung“ im Fall der BIG Bank Gdanski.

In London wurde die Firma Erospace Ltd. mit Adresse, Telefonnummer und imposantem Briefkopf gegründet. Sie sollte nur eine Transaktion abwickeln: das Honorar der Deutschen Bank über den Umweg London auf das Steuerparadies der Insel Jersey weiterleiten. Die Deutsche Bank in Frankfurt bestritt gestern die Vorwürfe: „Wir weisen alle Anschuldigungen zurück und können die Zahlung von 6,5 Millionen Dollar nicht bestätigen“, sagte Pressesprecher Ronald Weichert der taz.