Den Schleier lüften

Claude Monets Porträt seiner Geliebten Camille soll im Mittelpunkt einer Ausstellung der Bremer Kunsthalle stehen. Jetzt wird es restauriert

Sie mag dieses Bild wegen der starken Kontraste, wegen des Muts, Rot, Grün und ein bläuliches Schwarz nebeneinander zu setzen.

Bremen taz ■ Eigentlich ist es eine doppelte Camille: Einmal jene, vor der Bettina Landgrebe auf einem Hocker sitzt und vorsichtig mit einem Skalpell die oberen Firnisschichten abträgt. Und dann noch einmal rechts von ihr die auf dem Röntgenbild, das man vom Original gemacht hat. Darauf sind ein wenig verschwommen die untersten Schichten von Claude Monets Gemälde zu sehen. So, wie er 1866 seine damalige Geliebte und spätere Frau Camille gemalt hat – bevor Restauratoren Jahrzehnte später immer neue Firnisschichten und, schlimmer noch, neue Farbschichten auf das Bild aufgetragen haben.

Jetzt soll Bettina Landgrebe, Restauratorin der Bremer Kunsthalle, das Gemälde für die im Herbst geplante Ausstellung „Monet und Camille: Frauenporträts im Impressionismus“ restaurieren. Monet soll es in vier Tagen gemalt haben, weil er für eine Ausstellung kurzfristig umdisponieren musste. Das Porträt von Camille machte ihn über Nacht bekannt – aber die eilige Fertigstellung hatte ihren Preis. Weil in den verwendeten Farben Trockenbeschleuniger enthalten waren, die zudem noch auf Ölgrund aufgetragen wurden, entstanden feine Risse im Bild. Um die zu beseitigen, haben Restaurateure später schlicht Kitt verwendet. Den entfernt Bettina Landgrebe nun mit einem Skalpell. „Zäh“, nennt sie diese Arbeit, die sie Anfang des Jahres begonnen hat und nicht vor dem Sommer beenden wird. Ihr Ziel ist es nicht, das Alter des Bildes zu vertuschen. „Ich möchte die unterbrochene Lesbarkeit von Form und Farbe wiederherstellen“, sagt sie. Und wenn man den Kontrast zwischen der unrestaurierten übermalten Fläche sieht und dem freigelegten Stück, auf dem plötzlich Struktur und Faltenwurf eines Vorhangs wieder zu erkennen sind, versteht man, was sie meint.

Damit dabei nicht etwa die Monetsche Farbe entfernt wird, benutzt Bettina Landgrebe sorgfältig ausgesuchte Lösungsmittel, mit denen sie die angegilbten Firnisschichten entfernt. Zur Sicherheit greift sie auf ein fahrbares Mikroskop zurück und wenn auch das nicht genügt, kann sich die Restauratorin ein UV-Licht vor die Stirn schnallen, um am unterschiedlichen Fluoreszieren festzustellen, welche Farbschicht sie vor sich hat. Die Risse wird sie später mit Aquarellfarbe vorsichtig retuschieren und dann das gesamte Bild mit neuer Firnis versehen. Dann wird sie Hunderte von Stunden vor jener Camille gestanden haben, von der sie sagt, dass sie „wirklich Persönlichkeit hat“. Sie mag dieses Bild wegen der starken Kontraste, wegen des Muts, Rot, Grün und ein bläuliches Schwarz nebeneinander zu setzen und auf „Kleingedöns“ zu verzichten. Eine Frau vor einem Vorhang, das ist alles. Dieser Form will Bettina Landgrebe „zu ihrem Recht verhelfen“. Im Keller der Kunsthalle steht eine Tafel für die Mitarbeiter: In 212 Tagen beginnt die Ausstellung, solange hat sie dazu noch Zeit. Friederike Gräff