Die Antifa kommt in der Mitte der SPD an

Die SPD erkennt Rechtsextremismus als gesellschaftliches Problem an. In einem Leitfaden gibt sie 24 praktische Tipps im Umgang mit Neonazis. Exministerpräsident Reinhard Höppner: Schluss mit Kürzungen bei Jugend- und Sozialarbeit

BERLIN taz ■ Die Sozialdemokratie sucht Wege aus dem rechten Sumpf. Führende Politiker, darunter Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, diskutierten gestern in Leipzig beim Ostforum der SPD Strategien im Umgang mit Rechtsextremen. Thierse stellte die Broschüre „Für eine starke Demokratie – wirksam handeln gegen rechts“ vor, in dem die SPD einen Leitfaden mit 24 Tipps im Umgang mit Neonazis auflistet. In Sachsen kulminierten bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr Niedergang der Sozialdemokraten und Aufstieg der rechtsextremen NPD.

In dem Leitfaden, der unter Federführung von SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen nach dem Wahldebakel erarbeitet worden war, wird konstatiert, dass Rechtsextremismus eine neue Qualität erreicht habe. Ideologische Versatzstücke seien in der Mitte der Gesellschaft verankert, wie zum Beispiel das Misstrauen gegenüber nicht arbeitenden Ausländern. Die Neonazis würden ihre Botschaften zunehmend professioneller mit sozialen und wirtschaftlichen Themen verknüpfen und fänden einen guten Nährboden bei von Abstiegsängsten geplagten Menschen und Trübsal blasenden Unterschichten.

Die praktischen Vorschläge im zweiten Teil der Broschüre zielen einerseits darauf, Rechtsextremismus seiner parlamentarischen Normalität zu entkleiden. Für Politiker heißt das konkret: nicht mit den Nationalen abstimmen, keine Anträge unterstützen und rechten Blättern wie der Jungen Freiheit keine Interviews zu geben. Andererseits werden die Genossen aufgefordert, außerparlamentarische Akteure und Projekte zu stärken.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Martin Dulig, sagte der taz. „Es ist gut, dass die Neonazis endlich als gesellschaftliches Problem anerkannt werden.“ Es sei nun klar, dass man Aktionen gegen Rechtsextreme nicht engagierten Teenagern überlassen dürfe. Dulig ist Mitbegründer des Netzwerks für Demokratie und Courage, das Projekttage in Schulen organisiert und mit Jugendlichen über Rassismus und Rechtsextremismus diskutiert. „Man kann nicht früh genug anfangen“, so die Devise des 31-jährigen Vaters, der Kinder- und Jugendarbeit für eines der wichtigsten Instrumente im Kampf gegen Neonazis hält.

Auch der Autor des Leitfadens, Niels Annen, sagte der taz, er hoffe, dass mit dem Papier das Thema Rechtsextremismus in die Mitte der SPD gerückt werde. „Denn eins hat in der Vergangenheit nicht geklappt: wegschauen und verharmlosen.“ Der ehemalige Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Reinhard Höppner (SPD), warnte eindringlich vor Kürzungen bei Jugend- und Sozialarbeit in den Kommunen. Das wirke sich verheerend aus.

Rechtsextreme Parteien sind gerade bei Jungwählern populär. Seit vergangenem Jahr sind sie im brandenburgischen und sächsischen Landesparlament vertreten. In Brandenburg erarbeiten SPD, CDU und PDS einen gemeinsamen Antrag zum Umgang mit der rechtsextremen DVU. ANNA LEHMANN