Verstümmelung in Arztpraxen

Eine Düsseldorfer Beratungsstelle hilft Frauen, deren Genitalien verstümmelt wurden. Auch hier führen ÄrztInnen die grausame Körperverletzung durch. Aufklärung soll die Mädchen schützen

VON KIRSTEN PRESTIN (IPS)

Auch in Deutschland werden die Genitalien von Mädchen verstümmelt. In Privatwohnungen, durch eine eingereiste Beschneiderin oder sogar in deutschen Arztpraxen. Der Verein „Stop Mutilation“ bietet in einer neuen und landesweit einzigartigen Beratungsstelle in Düsseldorf Hilfe für betroffene Frauen und Familien an. Auch GynäkologInnen und ÄrztInnen finden dort Unterstützung.

„Sehr viele Beschneidungen von afrikanischen Mädchen werden hier in Deutschland durchgeführt. Meistens handelt es sich dabei um Gruppenbeschneidungen, für die extra eine Beschneiderin aus dem Ausland eingeflogen wird“, sagt die Somalierin Jawahir Cumar von Stop Mutilation, die auch in Berlin und Frankfurt noch Beratungen anbieten. In Deutschland leben etwa 24.000 Frauen, die in ihrer Kindheit an den Genitalien verstümmelt wurden, etwa 6.000 Mädchen sind davon bedroht.

Oft teilen sich die Familien die Kosten von 1.000 bis 1.500 Euro für das grausame Ritual. Die Beschneiderinnen werden aus Afrika eingeflogen, manche kommen auch aus Frankreich. Unterschiede zu der traditionellen Praxis gibt es keine. „Die Mädchen werden von vier Frauen gewaltsam festgehalten, und dann werden ihre Genitalien ohne Betäubung verstümmelt. Diese Folter müssen vier- bis achtjährige Mädchen über sich ergehen lassen“, so Cumar.

Der Eingriff findet meistens während der Ferienzeit statt, oder die Mädchen werden krankgeschrieben. Kommt es zu Komplikationen, besteht kaum Aussicht auf Hilfe. „Die Familienangehörigen können nicht zum Arzt gehen und erzählen, was passiert ist. Denn dann machen sie sich strafbar“, sagt Cumar, die mit elf Jahren nach Deutschland kam und als Fünfjährige in Somalia verstümmelt wurde. In dem nordostafrikanischen Land erleiden auch heute noch 98 Prozent der Frauen dieses Schicksal.

In Deutschland erfüllt die Mädchenbeschneidung den Straftatbestand der schweren Körperverletzung. Trotzdem wird der Eingriff auch in deutschen Arztpraxen durchgeführt – unter Narkose und zu einem Preis von rund 2.000 Euro. „Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass auch deutsche oder hier lebende ausländische Ärzte afrikanische Mädchen beschneiden. Das ist alles nur eine Geldfrage“, sagt Cumar.

Maria Lange, Sprecherin des Berufsverbandes deutscher Frauenärzte, bestätigt dies. „Auch Ärzte in deutschen Praxen nehmen einen solchen Eingriff vor“. Genitalverstümmelung sei immer noch ein Tabuthema in Deutschland. Wegen der strafrechtlichen Relevanz würden sich auch Mediziner und Medizinerinnen nicht gerne zu dem Thema äußern.

Dies zeigt auch die Deutsche Unicef-Studie, die der Berufsverband zusammen mit der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes am siebten April in Berlin veröffentlichen werden. An der Umfrage unter 13.000 FrauenärztInnen haben sich nur 500 beteiligt. Dabei ging es auch um das Problem, was macht ein Arzt mit einer Frau, die nach ihrer Beschneidung zugenäht wurde, wenn sie ein Kind bekommen hat? Näht er seine Patientin nach der Geburt des Kindes wieder zu? Und wie sieht dann die strafrechtliche Beurteilung aus?

„Gynäkologen fühlen sich von einer verstümmelten Frau überfordert“, erklärt auch Cumar. Manche Ärzte kennen das Problem gar nicht. Hinzu käme, dass viele betroffene Frauen aus Scham erst gar keinen Arzt aufsuchten. Viele dieser Frauen hätten während der Schwangerschaft keinen Mutterpass und gingen zu keiner Vorsorgeuntersuchung. „Der Arzt sieht sie zum ersten Mal während der Geburt und weiß dann oft nicht mit der Situation umzugehen“, so Cumar. Stop Mutilation vermittelt den betroffenen Frauen und Mädchen Ärztinnen und Ärzte, die bereits Erfahrungen haben.

Auch Jugendliche will die Beratungsstelle erreichen. Der Verein zeigt an Schulen einen jugendgerechten Film über die Verstümmelung und diskutiert mit den Mädchen und Jungen. „Sie sind die Eltern von morgen“, sagt Cumar.

www.stop-mutilation.de www.terredesfemmes.de