Die Kurzkritik
: Grenzgänger

Wie passend, denkt man. Die Republik beschäftigt sich mit dem Visa-Missbrauch in Kiew und Clemens von Wedemeyer erhält für seine Video-Arbeit „Weggang. Leaving“ den Kunstpreis der Böttcherstraße Bremen. Wie passend, denkt man, weil es ein anderer Blick ist, einer, der nicht nur potenzielle Schlupflöcher in einer abzuschottenden Grenze sieht.

In den beiden kurzen Filmen, die von Wedemeyer gedreht hat, geht es um das Ausreise-Procedere russischer Emigranten. Der erste zeigt Wedemeyers Ausgangsmaterial, Bilder von Wartenden vor dem Deutschen Konsulat in Moskau. Es sind keine spektakulären Szenen. Die Menschen warten, dick vermummt und gottergeben.

Interessanter sind die Sprecher, die man allerdings, und das ist eines der Mankos der Arbeit, nicht sieht. Ein älterer Mann, der erzählt, wie er, im Begriff umzukehren, ein Schild sieht: „Liste für Juden“. „Hinter mir stand ein uralter Mensch“, erzählt er. „Er sagte: ,Zum ersten Mal in meinem Leben bekomme ich Vorteile, weil ich Jude bin‘“.

Der zweite Film stellt mit russischen Emigranten in Berlin die Ausreise nach. Mitten im Wald, so dass das Irreale, zufällig Scheinende dieser Prozedur deutlich wird. Man sieht, wie sich ein junges Mädchen durch die Schlange der Wartenden kämpft. Aus dem ausliegenden Manuskript geht hervor, was sie zu den Soldaten sagt, zu der alten Frau, die Müll einsammelt, wie ihr ein Wartender mit einem Majakowskij-Gedicht antwortet. Doch das Manuskript ist weit, wenn man im abgedunkelten Raum sitzt. So vermisst man sukzessive Bild und Ton in dieser eigentlich so gelungenen Arbeit. grä

Clemens von Wedemeyer, Weggang/ Leaving. Kunsthalle Bremen bis zum 17.4.2005