Nazi-Konzert verpennt

Vom BGH verurteilter Rechtsrocker tritt ungestört in Thüringen auf. Polizei gibt Verfassungsschutz die Schuld

HAMBURG taz ■ Besser hätte es für Michael „Lunikoff“ Regener kaum laufen können: Vor mehr als 1.000 Neonazis spielte der Frontmann der verbotenen Rechtsrockgruppe Landser am Wochenende im thüringischen Pößneck – und das, obwohl der Bundesgerichtshof die Neonazi-Band kürzlich als kriminelle Vereinigung eingestuft und eine mehrjährige Gefängnisstrafe für Regener bestätigt hatte. Bevor er in einigen Tagen die Haft antreten muss, durfte sich der Rechtsrocker mit seiner neuen Band Lunikoff-Verschwörung“ nun trotzdem im Pößnecker Schützenhaus von den Fans verabschieden. Die Stimmung war bestens. Kein Wunder: Eigentlich hätte das Konzert gar nicht stattfinden dürfen – die Stadt hatte es im letzten Moment verboten. Doch die Polizei konnte das Verbot nicht durchsetzen.

„Es gab vorab keine Hinweise des Verfassungsschutzes“, begründete der Leiter der Polizeidirektion Saalfeld, Jürgen Höhn, die Panne: „Wenn wir gewarnt worden wären, hätten wir ganz anders reagieren können.“ Zu dem Vorwurf der Polizei möchte der Verfassungsschutzsprecher nichts sagen: „Hierzu geben wir keine Stellungnahme ab.“

Die Szene war über das Konzert längst informiert. Thorsten Heise, NPD-Bundesvorstandsmitglied und selbst Konzertveranstalter, wies im Internet auf eine „Kulturveranstaltung“ beim NPD-Landesparteitag hin.

Der Parteitag hatte am Nachmittag im „Schützenhaus“ mitten im Stadtzentrum begonnen. Erneut wählte der Landesverband Thüringen den Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt zum Landeschef. Den Parteitag musste die NPD nicht anmelden, da er als private Veranstaltung in gemieteten Räumen stattfand. Und der Vermieter, Jürgen Rieger, störte sich nicht an der NPD – gehört er doch selbst zur braunen Szene. Der Neonazi-Anwalt hatte das frühere städtische Kulturhaus für die „Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation Ltd.“ erworben. Als Bevollmächtigter der Stiftung kaufte Rieger letztes Jahr auch den „Heisenhof“ im niedersächsischen Landkreis Verden.

Erst als am Nachmittag immer mehr Neonazis in Pößneck eintrafen, ahnte die Polizei, dass diese nicht zum Parteitag wollten. Da das Konzert nicht mehr zum „Rahmenprogramm“ gehörte, untersagte es die Stadtverwaltung sofort – ohne große Auswirkung. Denn die notdürftig zusammengezogenen 300 Polizeibeamten aus Thüringen und Sachsen-Anhalt konnten gegen mehr als 1.000 Neonazis kaum vorgehen. So forderte die Polizei die Veranstalter erst nach Mitternacht auf, das Konzert zu beenden. ANDREA RÖPKE
ANDREAS SPEIT