Zu Hause wird zweisprachig gekocht

Parallelgesellschaft trifft auf Idealfamilie: James L. Brooks baut in „Spanglish“ eine Komödie um kulturelle Unterschiede in Kalifornien – und die Klassenfrage, die daraus entsteht

Flor Moreno trägt einen Vornamen, mit dem die Amerikaner ihre liebe Not haben: Achtlos ausgesprochen klingt Flor schnell wie floor, also wie der Boden, von dem die Menschen selten Notiz nehmen. Sorgfältig ausgesprochen klingt Flor jedoch wie flor, also wie Blume. Zwischen diesen beiden phonetischen Versionen liegen die Nuancen des Films „Spanglish“, in dem eine amerikanische Upper-Class-Familie in Kalifornien es mit einer mexikanischen Dienstbotin zu tun bekommt, mit der eine ganze eigene Welt zusammenhängt.

James L. Brooks, der das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat, beginnt soziologisch: 48 Prozent der Bevölkerung im Großraum Los Angeles sind inzwischen Hispanics. Viele von ihnen sprechen nicht Englisch, weil sie in einer „Parallelgesellschaft“ leben. Flor (Paz Vega) und ihre Tochter Cristina (Shelbie Bruce) zählen zu diesen Immigranten. Das Mädchen lebt sich schnell ein und übernimmt ohne große Probleme die Sprache. Die Mutter bleibt ihrer Kultur verhaftet auch dann noch, als sie eine Stelle bei den Claskys annimmt, einer lebhaften Familie, die der neuen Bediensteten mit großer Sympathie entgegentritt.

John Clasky (Adam Sandler) ist „der beste Mann der Welt“. Er ist den ganzen Tag zu Hause, weil er abends arbeitet. John kocht in einem Restaurant. Eines Tages kommt eine Kritikerin von der Ostküste vorbei. Wenig später ist er auch noch „der beste Koch Amerikas“. Diese Doppelbelastung hält er aus, weil die Claskys nebenbei noch den besten Hund der Welt haben. Deborah Clasky (Téa Leoni) macht es sich und ihrem Mann nicht leicht. Sie verlangt von allen immer viel zu viel, während ihre Mutter Evelyn (Cloris Leachman), eine ehemalige Jazzsängerin, sich entspannt durch die langen Sonnentage trinkt. Die pummelige Tochter Bernice (Sarah Steele) und Sohn Georgie (Ian Hyland) komplettieren das Gruppenbild der Claskys.

Flor verheimlicht ihnen zuerst einmal, dass sie eine Tochter hat. Schließlich kommt es doch heraus, und als die ganze Truppe für ein paar Sommerwochen in ein Strandhaus nach Malibu übersiedelt, kommt Cristina einfach mit. Sie erst bringt das fragile Gleichgewicht der Claskys zum Einsturz. Denn das hochbegabte und adrette Mädchen wird von Mutter Deborah sofort „besetzt“, während die eigene Tochter Bernice sich zum Sorgenkind degradiert sieht. Eine Kleinigkeit macht die unterschiedlichen Ökonomien deutlich, die innerhalb dieser Großfamilie wirksam sind: John Clasky setzt seinen Kindern (und auch Cristina) 50 Cent aus für jeden bunten Meerstein, den sie vom Strand mitbringen. Er verwendet sie als Dekor für seine kulinarischen Kreationen und rechnet damit, dass die Kinder, denen es ja an nichts fehlt, gerade für ein paar Dollar Lust am Sammeln haben. Cristina aber schleppt Steine für 680 Dollar an.

Bei den Verhandlungen zur Aufklärung dieses Missverständnisses muss Cristina für die eigene Mutter dolmetschen. Alle fühlen sich auf ihre Weise schuldig, und irgendwann sagt John Clasky den zentralen Satz: „Wir sprechen miteinander in Entschuldigungen.“ James L. Brooks erzählt in „Spanglish“ von den kulturellen Unterschieden und von der Klassenfrage, die daraus entsteht. Er tut dies zum Teil im Modus der Komödie, stärker noch aber im Modus des Rührstücks (die Klammer bildet ein Brief von Cristina, die sich an eine Eliteuniversität bewirbt, indem sie die Geschichte ihrer Mutter erzählt). Manchmal trifft er aber auch den Ton eines genuinen Melodrams.

Dies liegt vor allem an Téa Leoni, die in der Rolle von Deborah Clasky eine schwer erträgliche Hysterikerin spielt. Weil Brooks dieser Figur fast jeglichen Common Sense nimmt, exponiert er sie auf dem engen Raum der Idealfamilie Clasky so radikal, dass nicht einmal die Grundgüte von Adam Sandler zu ihrer Erlösung ausreicht. In einer so komplexen Familienaufstellung wie bei den Claskys agieren alle Beteiligten ständig alles Mögliche aneinander aus, ohne dass es zu einem Happy End oder einem dramatischen Ende kommen kann.

Dieses Konzept von Familie als organisiertem Chaos in Permanenz funktioniert in den Sitcoms perfekt, fällt im Spielfilm jedoch fast immer einer konventionellen Dramaturgie zum Opfer. James L. Brooks („As Good As It Gets“) interessiert sich in „Spanglish“ mehr für die Übergänge als für die Lösungen – nur die erzählerische Klammer zielt auf vollständige Ankunft der Tochter in der Elite der multikulturellen USA. Während Hollywood seine ethnische Differenzpolitik gewöhnlich wie die großen Hochschulen betreibt (nach Quoten), geht Brooks in die soziologischen Details. Er erweist sich damit – bei aller Neigung zum Sentimentalen – als genuiner Auteur. Er nimmt eine populäre Form (die Komödie) und einen sehr populären Schauspieler (den Anti-Macho Adam Sandler), macht daraus aber einen zweisprachigen Frauenfilm, dem es an Zwischentönen nicht mangelt. BERT REBHANDL