Fahnder stauben bei der SPD ab

Staatsanwaltschaft durchsucht SPD-Zentrale und beschlagnahmt Akten. Partei soll im Wahlkampf 2001 Spenden falsch deklariert haben. Tempodrom-Untersuchungen brachten Ermittler auf die Spur

VON MATTHIAS LOHRE
UND ULRICH SCHULTE

In der Affäre um Sponsoring-Essen für den Abgeordnetenhaus-Wahlkampf 2001 kommt die SPD nicht zur Ruhe. Gestern Morgen durchsuchten zwei Staatsanwälte und ein Wirtschaftsreferent die Landeszentrale im Stadtteil Wedding. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft bestehe der Anfangsverdacht des Abrechnungsbetruges bei Parteispenden, so Sprecher Michael Grunwald.

Laut SPD-Sprecher Hannes Hönemann sind bei der Durchsuchung in der Müllerstraße „15 bis 20 Blätter“ beschlagnahmt worden. Weitere Akten muss die Partei in den kommenden Tagen nachreichen. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft lautet: Zuwendungen von Unternehmen könnten als Spenden natürlicher Personen verbucht worden sein.

Der Vorwurf, der jetzt im Raum steht, ist simpel: Wenn die SPD tatsächlich derart umdeklariert hat, dürfte das die Spendenfreude der Anwesenden deutlich gesteigert haben. „Privatpersonen haben den schlichten Vorteil, dass sie die Hälfte der Spende von der Steuer absetzen können“, sagt Oliver Schruoffeneger, Haushaltsexperte der Grünen.

Unter den geladenen Dinnergästen waren damals laut Staatsanwaltschaft zum Beispiel Bahn-Chef Hartmut Mehdorn und Thies-Martin Brandt. Letzterer ist Vorstand der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft DeGeWo. Bei ihm hätte die Spende einen netten Nebeneffekt: Der Steuerzahler löhnt, der plötzlich ernannte Privatspender spart Steuern. „Falls der Verdacht zutrifft, wurden öffentliche Mittel genutzt, um private Vorteile zu erlangen“, so Schruoffeneger. Ob dem wirklich so war, soll jetzt die Untersuchung zeigen.

Auf die Spur sind die Beamten durch Nachforschungen zu so genannten Fundraising-Dinnern für die SPD im Jahr 2001 gekommen. Die Ermittlungen liefen gegen den Ex-Bauunternehmer und Tempodrom-Förderer Roland Specker und den Ex-Bausenator Peter Strieder. Die Vermutung der Staatsanwaltschaft lautete damals: Das Partygeld von Specker und der Senatsbeschluss für eine weitere Finanzspritze für das angeschlagene Bauvorhaben Neues Tempodrom könnten etwas miteinander zu tun haben.

Einen direkten Zusammenhang zwischen der gestrigen Durchsuchung und den Ermittlungen gegen Specker und Strieder wollte der Staatsanwaltschaftssprecher nicht bestätigen. Jedoch sprachen die Beamten von einer „erstaunlichen Nähe“ zwischen der Entscheidung für das Veranstaltungszentrum und zwei Essen im Jahr 2001. Zu den Sponsoring-Essen hatten Specker und der Volksbank-Chef Karl Kauermann 20 prominente Wirtschaftsvertreter eingeladen. Bedingung für die Teilnahme war eine Spende in Höhe von 5.000 Mark für die Sozialdemokraten, die damals mit ihrem Spitzenkandidaten Klaus Wowereit im Wahlkampf standen.

Die Hauptstadt-SPD hatte bisher darauf gepocht, dass die Initiative „Unternehmer für Klaus Wowereit“ privat organisiert worden war. Im Wahlkampf 2001 soll auch ein Fundraising-Essen für die SPD mit 1.917 Mark der mehrheitlich landeseigenen Berlinwasser-Holding bezahlt worden sein.

Vom Versprechen des Mentalitätswechsels sei bei der SPD nichts mehr übrig, sagte CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer gestern. Parteifreund Michael Braun, Chef des Tempodrom-Untersuchungsausschusses, assistierte: „Die SPD hätte von vornherein offensiver alle Fakten auf den Tisch legen sollen.“