Die babylonische Verwirrung

Kultursenator vergibt das Filmkunsthaus Babylon an den Betreiber des Balázs. Der bekommt die bisherigen Fördergelder, darf aber kommerzielle Filme zeigen. Kinokonkurrenten erwägen Klage

VON CHRISTO FÖRSTER

Timothy Grossmann hat etwas mitgebracht. „Beim Kino geht es doch um Bilder“, sagte er und kramt eine große Zwiebel hervor. „In der Mitte steht das Ich, dann folgen viele verschiedene Schichten.“ Der neue Betreiber des Filmkunsthauses Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz versucht, sein Konzept für eine mehrdimensionale Nutzung des Kinos zu erklären oder besser: zu verteidigen.

Soeben hat Kultursenator Thomas Flierl (PDS) mitgeteilt, dass Grossmann in dem vom Land subventionierten Filmkunsthaus künftig auch kommerzielle Filme zeigen wird. Grossmann betreibt bereits das Balázs und zwei Freiluftkinos. Der Gegenwind, der den beiden nun entgegenschlägt, ist enorm. Kritik gibt es nicht nur wegen der ganz neuen Wettbewerbssituation, sondern vor allem am Vergabeverfahren des Senats.

Das letzte kommunale Kino der Stadt wurde bis März von dem Verein Babylon e. V. betrieben. Mit dem jährlichen Zuschuss von 320.700 Euro ließ sich ein kommunaler Betrieb, also das Spielen von anspruchsvollen Filmen ohne längere Laufzeiten, nicht finanzieren. Der Betreiberverein, der das Filmkunsthaus durch die schwierige Zeit nach der Wende und die umfangreiche Renovierung gebracht hatte, machte regelmäßig Defizite – und wollte mehr Geld vom Land. Flierl lehnt ab.

Stattdessen sollte eine Findungskommission einen neuen Betreiber finden, dem es gelingt, das kommunale Kino mit der bisherigen Förderung zu führen. Zwei Bewerber blieben schließlich übrig, darunter der alte Betreiberverein. Timothy Grossmanns Konzept war da schon lange aussortiert. Zwar hatten auch die beiden empfohlenen Konzepte noch Mängel im wirtschaftlichen Bereich. Doch statt diese anzusprechen, erklärte Flierl kurzerhand, man könne ein rein kommunales Kino mit 320.700 Euro wohl doch nicht finanzieren. Die alten Betreiber wussten das längst.

Flierl entschied sich dann für einen „Paradigmenwechsel“. Nun dürfen bis zu 49 Prozent des Babylon-Programms kommerzielle Filme sein. Ohne den Bewerbern dies mitzuteilen und ihnen die Möglichkeit einer Konzeptänderung zu geben, wurde neu entschieden. Die Findungskommission war überflüssig geworden. Grossmann gewann.

Mitbewerber wie Andreas Döhle vom Central-Kino sagen heute, man habe in der Szene von Anfang an vermutet, dass es so kommen würde. Auch Monika Grütters, kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, äußert Manipulationsverdacht: „Schon die Väter von Grossmann und Flierl waren gute Freunde.“ Grütters will per Anfrage ans Abgeordnetenhaus Klarheit in das umstrittene Verfahren bringen. Dass die Auswahl „etwas ungewöhnlich“ war, räumte sogar Christiane Ziesecke, zuständige Referatsleiterin in der Kulturverwaltung, ein. Das Verfahren sein „nicht formalisiert“ gewesen. Rainer Berg, Vorsitzender der Findungskommission, begründete dies mit „Zeitproblemen“.

Die Betreiber anderer kleiner Kinos wollen sich mit solchen Erklärungen nicht abspeisen lassen. Auch wenn sie sich aufgrund der angespannten Konkurrenzsituation nicht immer ganz wohl gesinnt sind, machen sie gegen das neue Babylon-Konzept gemeinsam mobil. Sie prüfen sogar die Möglichkeit einer Sammelklage.

Grossmann träumt dagegen schon von großen Namen. „Warum nicht mal Tarantino einladen?“, fragt er in die Runde und legt lächelnd seine Zwiebel beiseite. Die könnte ihm schon bald Tränen in die Augen treiben.