zahl der woche
: Hunderte Versicherungsjobs auf der Flucht nach Indien

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Die Arbeit flieht aus Deutschland. Nun wandern auch noch hunderte Versicherungsjobs nach Asien aus. Der französische Versicherungskonzern Axa wird Arbeitsplätze aus Deutschland nach Indien und Lettland verlagern. Medienberichte, wonach dadurch 680 Stellen wegfielen, bezeichnet Axa gegenüber der taz freilich als falsch, die bis 2007 ins Ausland verlagerten Arbeitsprozesse entsprächen weniger als 300 Stellen. „Axa hat seit Jahren auch in Indien eine Niederlassung, in der die britische Axa Arbeiten erledigen lässt“, besänftigt Axa-Sprecher Ingo Koch.

Dabei handele es sich beispielsweise um die Überprüfung von Rechnungen und Kostenstellen. Die indischen Werktätigen werden dazu auf deutsch geschult. „Die Mitarbeiter, die heute diese Arbeiten erledigen, bekommen andere Aufgaben, weil wir wachsen“, tröstet Axa die ansonsten unbezahlbaren so genannten Arbeit-Nehmer, die in Wirklichkeit ihre Arbeitskraft verkaufen müssen.

Allerdings sollen gleichzeitig in Deutschland weitere Kapazitäten durch Automatisierung vernichtet werden. Dieser Schritt entspricht einem Äquivalent von weiteren 380 Stellen, freut sich der Assekuranzriese. Was dann unterm Strich doch 680 von 8.200 Jobs kostet. Halb so schlimm, meint Axa, bis 2006 verhinderte das Axa-Bündnis individuelle Kündigungen und die verlorenen Stellen werden durch normale Fluktuation aufgefangen. Eine beliebte Managerrechnung, die die unmittelbar Bedrohten beruhigen kann, aber volkswirtschaftlich sind die Stellen futsch.

Der „französische“ Multi betreut in über 60 Ländern auf allen fünf Kontinenten 50 Millionen Kunden und verwaltet ein größeres Vermögen als der zweite Global Player, die Allianz. Das Rechenzentrum für Frankreich und Großbritannien läuft übrigens in Deutschland. Die Hälfte der Axa-Aktionäre kommt aus aller Welt. Seit Ende 2004 wurde die Indien-Expedition, zunächst heimlich, in einem Pilotprojekt getestet. Offenkundig erfolgreich.

Axa ist freilich nicht der erste Finanzdienstleister, der Arbeit ausflaggt. „Nachdem die Deutsche Bank mit der Verlagerung von 1.200 Arbeitsplätzen in Billigländer das Eis gebrochen hat, folgen nun hemmungslos Konzerne wie Axa“, schimpft Berthold Bose, Finanzexperte von Ver.di in Hamburg, das von der Jobflucht besonders betroffen würde. Ver.di fordert von der Konzernspitze, ihre Gewinn nicht auf Kosten der Beschäftigten in Deutschland zu steigern. Axa hat auch sonst wenige Freunde. Kürzlich kündigte der Konzern älteren Kunden ihre Unfallversicherung, laut Ver.di, weil ältere Verbraucher ebenfalls als unprofitabel gelten.

Eine andere Rechnung wird derweil in Indien aufgemacht. Der dortige Lohn bei internationalen Finanzdienstleistern von 10.000 Rupien entspricht etwa 200 Euro – in Indien ein komfortables Einkommen. Für Axa lohnt sich die Flucht ebenfalls. Das Einsparpotenzial gegenüber deutschen Jobs von 20 bis 30 Prozent wird von Axa nicht dementiert. HERMANNUS PFEIFFER