Reiche Länder wollen Goldschatz heben

Zur Finanzierung eines Schuldenerlasses wird an diesem Wochenende der Verkauf der IWF-Goldreserven diskutiert

BERLIN taz ■ Lange war sie umstritten, nun hat sie es auf die Agenda der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank geschafft: Die Idee, den Goldschatz des IWF zu heben.

Auf ihrem Treffen im Februar in London hatten die Finanzminister des Industrieländerclubs G 7 den IWF aufgefordert, einen Plan vorzulegen, ob ein Erlass der Schulden der 27 ärmsten Entwicklungsländer bei IWF und Weltbank durch einen Verkauf der IWF-Goldreserven zu finanzieren sei. Die Initiative ging von Großbritannien aus. Für die Finanzminister ist es allemal attraktiver, einen Schuldenerlass aus der Schatzkammer des Fonds zu finanzieren statt aus der eigenen Kasse.

Der Vorschlag war lange auf Widerstand von Regierungen und Zentralbanken gestoßen, wegen der Sorge, dass der Goldpreis durch eine plötzliche massive Erhöhung des Angebots verfallen würde. Doch gibt es eine Reihe von Ideen, dies zu verhindern – etwa indem das Edelmetall nur an Zentralbanken und nicht auf dem offenen Markt verkauft wird bzw. die Goldreserven nicht verkauft, sondern lediglich neu bewertet werden.

Die 3.217 Tonnen Gold des IWF haben einen aktuellen Marktwert von 44 Milliarden Dollar, aber in den Bilanzen des Fonds stehen die Reserven nur zum Buchwert von knapp 9 Milliarden. Auch wenn die Zentralbanken sich verpflichteten, ihrerseits in den nächsten Jahren weniger Gold zu veräußern, als nach dem internationalen Goldabkommen der Notenbanken vorgesehen, dürften die Preise stabil bleiben.

Der Währungsfonds hat seinen Widerstand inzwischen aufgegeben. Die Entschuldungskampagne Eurodad zitiert aus einem Papier des Fonds, wonach „das Goldabkommen der Notenbanken den Goldmarkt befähigt, auch bedeutende Verkäufe zu verarbeiten“. IWF-Chef Rodrigo de Rato will sich ebenfalls nicht quer stellen: „Wenn die Mitgliedstaaten die erheblich unterbewerteten Goldreserven des Fonds für einen Schuldenerlass nutzen wollen, dann sollen sie das durch einen Verkauf tun“, sagte er in Washington.

Trotz alledem stehen die Zeichen dafür nicht sonderlich gut. Auf dem Gold-Kassamarkt scheinen Händler inzwischen nicht mehr von einem Verkauf auszugehen. Heftiger Widerspruch kommt nämlich von Seiten der USA, und die verfügen im IWF über eine Sperrminorität. „Die IWF-Goldverkäufe wären gleichbedeutend mit einer Enteignung der Geberländer“, deklamierte vor einigen Monaten Jim Saxton, der Vorsitzende des gemeinsamen Wirtschaftsausschusses von Senat und Repräsentantenhaus. Der IWF sollte eben keine Kredite an Länder vergeben, die „unwillig oder unfähig zur Rückzahlung sind“ und anschließend die Probleme durch einen Erlass zu überspielen versuchen.

Die Bundesregierung will sich in dieser Situation lieber nicht festlegen. „Bevor man nicht weiß, was finanziert werden soll, macht es keinen Sinn, Position zu beziehen, wie es finanziert werden soll“, hieß es im Vorfeld der IWF-Tagung aus dem Bundesfinanzministerium. Zuerst müsse geklärt werden, welchen Ländern welche Schulden erlassen werden. Geht es nur um die Schulden gegenüber der Weltbank oder auch die gegenüber dem IWF und den regionalen Entwicklungsbanken? Werden die Schulden tatsächlich gestrichen, oder wird nur der laufende Schuldendienst von den Gebern beglichen? Richtet sich das Angebot pauschal an die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder, oder – wie von deutscher Seite gefordert – nur an die hoch verschuldeten Länder nach einer Überprüfung der Schuldentragfähigkeit von Fall zu Fall? Mit Antworten rechnet man in Berlin nicht vor dem G 7-Gipfel im Juli in Schottland. Immerhin räumt die Bundesregierung ein, dass eine Aufstockung der Entwicklungshilfe für ein Erreichen der „Millenniumsziele“ zur Beseitigung von extremer Armut nötig ist. NICOLA LIEBERT