Attac macht gegen Brüssel mobil

Im fünften Jahr ihres Bestehens will die globalisierungskritische Bewegung gegen die geplante EU-Verfassung kämpfen. Dabei trifft sie auf Verbündete im konservativen Lager. 20 Unionsabgeordnete kündigten Widerstand gegen das Gesetzeswerk an

AUS MANNHEIM FELIX LEE

Von einem französischen „Non“ zu einem deutschen „Nein“ – der kritische Funke zur EU-Verfassung springt von Frankreich nun offenbar auch auf Deutschland über. Das hat der „Jubiläumsratschlag“ in Mannheim gezeigt, auf dem die Globalisierungskritiker von Attac Deutschland am Wochenende das fünfjährige Bestehen der Bewegung feierten. Denn die VertreterInnen der insgesamt 200 deutschen Mitgliedsgruppen beschlossen, dass sie den seit Wochen brodelnden Protest in Frankreich tatkräftig und mit eigenen Aktionen unterstützen wollen.

Die französische Sektion von Attac hatte schweres Geschütz aufgefahren. Im Schlepptau gleich einer ganzen Delegation von europäischen Globalisierungskritikern nutzte die Gründerin und Vizepräsidentin von Attac Frankreich, Susan George, ihren Geburtstagsgruß dazu, die Deutschen für den Widerstand gegen die EU-Verfassung zu gewinnen. „Die unsoziale EU-Verfassung geht auch die Deutschen an“, rief George den Anwesenden zu. Der Vertrag fördere die Militarisierung Europas, baue demokratische Grundrechte ab und leiste dem Sozialabbau weiteren Vorschub.

Unterstützung kam aus Italien. Auch dort hätten die Menschen den unsozialen und undemokratischen Geist dieses Verfassungswerks erkannt, sagte Stepano Risso von Attac-Italien. „Wir sind nicht generell gegen eine EU-Verfassung, wir sind aber gegen diese Verfassung.“

Seit Wochen mobilisieren die französischen GlobalisierungskritikerInnen zusammen mit Gewerkschaften und anderen linken Kräften gegen das ihrer Meinung nach neoliberal ausgerichtete Verfassungswerk und rufen dazu auf, beim Referendum am 26. Mai mit einem „Non“ zu votieren. Jüngsten Umfragen zufolge liegt der Vorsprung der Verfassungsgegner inzwischen bei über 60 Prozent. Die EU-Ratskommission hat ihre große Sorge um das Referendum zum Ausdruck gebracht.

Für Peter Wahl vom Attac-Bundeskoordinierungskreis bedeutet ein französisches Nein zur EU-Verfassung „nicht das Ende des Abendlands“.

Vielmehr hofft er, dass dann die öffentliche Debatte um eine demokratische und soziale Verfassung auch in Deutschland aufgenommen wird. „Das Referendum hat eine große strategische Bedeutung für die weitere Entwicklung Europas“, sagte Wahl. In einer abschließenden Erklärung rief Attac-Deutschland zur grenzüberschreitenden Demonstration am 5. Mai auf der Europabrücke Kehl–Strasburg auf und kündigte weitere Protestaktionen im Vorfeld der Ratifizierung im Bundestag an.

Denn auch dort mehrt sich der Widerstand, wenn auch eher im konservativen Lager. Am Wochenende haben immerhin 20 Unionsabgeordnete angekündigt, dass sie bei der Abstimmung am 12. Mai im Bundestag gegen die Verfassung stimmen werden. Das deutsche Parlament werde entmachtet, heißt es zu ihrer Begründung.

„Brüssel erhält immer mehr Macht ohne demokratische Kontrolle“, sagte der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein. „Wir werden von Bürokraten in Brüssel regiert. Die Demokratie ist dabei ausgeschlossen.“ Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ist zwar anders als der französische Präsident nicht auf die Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit angewiesen, denn anders als in Frankreich muss die Verfassung nicht in einem Volksentscheid abgenickt werden. In Deutschland entscheidet die Legislative.

Dennoch dürfte Schröder die zunehmende Kritik beunruhigen. Denn auch die Mehrheit im Bundesrat ist keineswegs gesichert. Schröder will sich am Donnerstag mit mehreren Ministerpräsidenten treffen, um erneut auf ihr Abstimmverhalten einzuwirken. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung machen die Ministerpräsidenten der unionsgeführten Länder die von der Bundesregierung angestrebte Abstimmung des Bundesrats über die Verfassung am 27. Mai von mehr Mitbestimmungsrechten in der EU abhängig.