Die Preise sind total versemmelt

Der Vormarsch der Billigschrippe ist nicht aufzuhalten: In den vergangenen sechs Jahren ist die Zahl der Traditionsbäckereien um gut ein Drittel gesunken. Dagegen boomen die Shops großer Ketten

VON KATHARINA HAMMERMANN

Die von Meisterhand gebackene Schrippe könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Gab es in Berlin im Dezember 1998 noch 335 eingetragene Bäckereien, so waren es Ende 2004 nur noch 213. Das Verzeichnis selbstständiger Bäcker der Handwerkskammer belegt damit einen Rückgang um mehr als ein Drittel in nur sechs Jahren. Die Handwerkskammer und der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks glauben, dass der Boom der Billigbäcker in der Stadt an diesem – im bundesweiten Vergleich überproportionalen – Rückgang schuld ist.

Offensichtlich mögen es die Berliner billig, auch dann, wenn es um das tägliche Brot geht. 12 bis 20 Cent das Stück, manchmal gar nur 8 – so wenig kosten bei Billiganbietern die Schrippen. Das Geheimnis: Die Ware wird in den Backstationen der Systembäckereien nicht mehr vor Ort gefertigt. Sie stammt aus kostensparender, industrieller Großproduktion und wird in gefrorenem oder halbfertigem Zustand geliefert. Die Mitarbeiter müssen die Teiglinge dann nur noch in den Ofen schieben und aufbacken.

Mit solchen Kampfpreisen können traditionelle Betriebe nicht konkurrieren. „Bis runter zu 3 Cent kosten im Einkauf die Billigbrötchen. Dafür bekommt man als Handwerker nicht einmal das Mehl“ , sagt Hans-Joachim Blauert, Landesinnungsmeister von Berlin-Brandenburg. Fehlten noch Salz, Hefe, Wasser, Energie, Miete, Knetmaschine, Brötchenanlage, Lieferwagen etc. – und natürlich der Lohn, der im traditionellen Bäckerhandwerk 50 Prozent der Kosten ausmache, sagt Blauert. „Unter 25 Cent kann man als Bäcker in Berlin das Brötchen nicht verkaufen.“

Tue man dies doch, so nur in der Hoffnung, dass die dadurch gewonnenen Kunden auch noch den teureren Kuchen mitnehmen. Blauerts Schätzung zufolge gibt es in Berlin rund 1.000 von Großbäckereien belieferte Backstationen. Hierzu zählt er neben den Backshops und Selbstbedienungsläden in Geschäftsstraßen, Einkaufspassagen oder Bahnhöfen auch jene in Supermärkten und Tankstellen. Und wöchentlich öffnen Neue.

Meist werden die Shops von Franchise-Nehmern betrieben. Allein der Marktführer Kamps betreibt über Franchising etwa 100 Backshops in Berlin. Diese werden von den Berlinern gut angenommen, sagt die Pressesprecherin. Obwohl sich Kamps ihrer Aussage nach über Qualität und nicht über den Preis der Ware definiere, liegt dieser in Berlin deutlich unter den von Blauert genannten 25 Cent.

Wie geht es nun weiter mit dem Bäckerhandwerk? Außer darin, dass die Ware in den traditionellen Bäckereien genauso frisch und warm verkauft werden müsse wie jene der Backstationen, sieht Blauert nur eine Lösung: „Der Staat muss die kleinen und mittelständischen Unternehmen bevorzugen, bis den Großen die Tränen in die Augen treten vor Neid.“ Sonst setze sich der „Abschmelzprozess“ fort.

Also ohne staatliche Intervention bald keine von Hand gefertigten Schrippen mehr? Nein, das dann wohl doch nicht. „Für 100 bis 150 Premiumbäcker wird in dieser Stadt immer Platz sein“, glaubt Blauert. Im Gegensatz zu den Billiganbietern könnten diese die Kunden intensiv beraten, lieferten höhere Qualität und seien in der Lage, auf Kundenwünsche einzugehen, auch wenn es ein Brot in U-Form mit Mohn rechts und Sesam links sein soll, sagt der Landesinnungsmeister.

Bei Bio-Bäckern stellt sich die Situation anders dar als bei den konventionellen Bäckereibetrieben. Verhältnismäßig wenige mussten in den vergangenen Jahren schließen. „Ein gutes Biobrot herzustellen ist ein langer Arbeitsprozess, der bis zu 20 Stunden dauern kann“, erklärt Nikolaus Fink von der ufa-Bäckerei. Das könne man maschinell nicht leisten. Seine Kunden wollten ohnehin keine Massenware. „Sie wollen die Nähe zum Produzenten und Qualität, die bis zum Bauern reicht. Auch Nachhaltigkeit ist nach wie vor ein Kriterium“, so Nikolaus Fink. Die Erfüllung dieser Ansprüche sei den Kunden auch mehr wert als ein gesparter Cent. Zu den Kunden der ufa-Bäckerei zählen seit kurzem auch einige Backstationen, die ihre Produktpalette mit Biobroten erweitern.