Versessen geschwärzt

Heute Abend eröffnet das Kulturbüro City West seinen neuen Ausstellungsort in der Villa Oppenheim in Charlottenburg. Der Künstler und Kurator Dieter Appelt stellt eine schwarzweiße „Zeitstrecke“ vor

Die Villa wird zum modernen Ausstellungsort umgestaltet

VON BRIGITTE WERNEBURG

Nach zwei erfolgreichen Jahren schließt die Galerie Quicksilver im Stilwerk. Eine ganze Reihe beachtlicher junger Fotografen wurden dort in vierzehn Ausstellungen vorgestellt. Und zwischendurch zeigte der Leipziger Künstler Aris Kalaizis, wie sich dramatische fotografische Momente und alltägliche Szenen neu geordnet und neu zusammengefügt in eine kontemplative, ausgereifte Malerei übersetzen lassen. Quicksilver war ein Glanzpunkt der Kantstraße, die so viele Glanzpunkte nicht mehr zählt.

Glücklicherweise besteht mit dem Ende der Galerie, die das Stilwerk mit mietfreien Räumen sponserte, kein Grund zur Untergangsstimmung. Denn das Programm, das Mathias Niehoff vom Charlottenburger kommunalen Kulturbüro City West in Zusammenarbeit mit Torsten Reiter von der Maerzgalerie Leipzig plante und organisierte, wird nun in der Villa Oppenheim fortgeführt.

Das Haus in der Schlossstraße ist ein großzügiger Backsteinbau vom Ende des 19. Jahrhunderts, der 200 Quadratmeter Ausstellungsfläche im Erdgeschoss bietet, dazu einen großen Veranstaltungsraum in der ersten Etage. Aufgrund der abgehängten Decke mit ihrer – gerne als „Sauerkrautplatte“ bezeichneten – Rigipsverschalung und den an Schienen laufenden Strahlern weisen die frisch renovierten Räume noch Spuren aus ihrer Vergangenheit als typische kommunale Kultureinrichtung auf, die vielfältigste Veranstaltungen und kulturelle Dienstleistungen zu beherbergen und zu organisieren hatte. Doch das trübt den Eindruck des Aufbruchswillens, den das Haus nun ausstrahlt, keineswegs.

Bald wird die Decke durch eine gläserne Lichtdecke ersetzt werden. Die Villa wird in einen modernen Ausstellungsort umgestaltet, der es erlaubt, ein Programm mit klarem Profil zu zeigen. Fotografie wird ein Schwerpunkt bleiben. Neben den aufstrebenden jungen Talenten, die Torsten Reiter gerne, aber keineswegs ausschließlich an der Leipziger Hochschule entdeckt, will Mathias Niehoff nun auch international bekannte, große Namen ins Spiel bringen; so existieren etwa gute Kontakte zum Fotomuseum Winterthur, und dementsprechend gibt es Überlegungen, bei Ausstellungen zu kooperieren. Videopositionen, Skulptur und Malerei werden das Programm in den neuen Räumen erweitern.

Die Auftaktausstellung „Zeitstrecke“ für die Villa Oppenheim wurde von Dieter Appelt konzipiert, der dieses Jahr seinen 75. Geburtstag feiert. Die Übergabe der Ausstellungsregie ist also auch eine Hommage an den Berliner Künstler. Die Ausstellung beschäftigt sich mit Notationssystemen und der Übersetzung von Zeitabläufen in ein solches System. Sie ist damit auch schon das Präludium für eine Ausstellung, die Appelt für die Akademie der Künste Berlin-Brandenburg konzipiert und die 2007 zu sehen sein wird.

In ausschließlich schwarzweißen Exponaten, Fotografien von Dieter Appelt und Thomas Florschütz, Papierarbeiten von Hanns Schimansky und Eberhard Blum, skulpturalen Arbeiten von Gisela von Bruchhausen und Michael Schoenholtz, sowie einer filmischen Position von Ann Holyoke Lehmann wird Zeit notiert und als schon vergangene festgehalten. Bei Thomas Florschütz ist es die Natur selbst, die die Zeit in den Wachstumsprozess einer Agave einschreibt. Dieter Appelt fängt sie ein, indem er seine Aktionen fotografiert, wobei die Inszenierung schon Teil des fotografischen Projekts ist und das nun beim „Steinfeld“ gezielt an archaische Zeitspannen gemahnt, wobei sein versessener Umgang mit Tiefen, Schwärzen, Schatten wie mit Lichtern, Reflexen und weißen Stellen die genuin fotografische Notation herausstreicht.

Michael Schoenholtz ordnet zwölf weiße Marmorplatten zu einer Bodenskulptur, die immer wieder neu ausgelegt, neu notiert werden kann. Dagegen stoßen Gisela von Bruchhausens streng geschnittene Stahlbänder kantig ins Dreidimensionale vor und markieren eher einen Zeitraum als einen der vielen Zeitpunkte, aus denen sich eine Zeitstrecke zusammensetzt.

Der Fotohistoriker und -theoretiker Hubertus von Amelunxen, der heute Abend zur Einführung sprechen wird, erachtet denn auch die Zeitstrecke „als nicht reversibel, als bildlich linear zwischen verschiedenen Punkten vollzogen“. Doch in ihrer Verbundenheit mit dem Abschied, der Notation des Unwiderruflichen, gründet eben auch die Zuverlässigkeit ihres Fortgangs. Die Zeitstrecke in den neuen Räumen der Villa Oppenheim, die nun vor dem Kulturbüro City West liegt, wird spannend werden.

Bis 4. Juli, Villa Oppenheim, Schlossstraße 55, Di.–Fr. 10–17, Sa 11–17 Uhr; heute Abend 19 Uhr Eröffnung