Linkspartei: Oskar, lass das Hampeln sein

Der größte Sozialdemokrat aller Zeiten erfährt seine Grenzen: Ex-SPD-Chef Lafontaine zieht sich den Zorn der „Wahlalternative“ zu. Die Basis der Protestpartei fühlt sich missbraucht, weil er zwar mit der WASG kokettiert, aber keine Wahlempfehlung abgibt

AUS KREFELD KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Karola Ossendorff läuft rot an. „Der soll bleiben, wo der Pfeffer wächst, der Wichser!“, ruft die Frau aus Solingen mit dem orangen Sticker. Gerade hat der frühere SPD-Parteivorsitzende Oskar Lafontaine das Podium verlassen – ohne wie angekündigt eine Empfehlung für die NRW-Landtagswahl zugunsten der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) auszusprechen. „Und ich hatte die Pressemitteilung schon fertig“, stöhnt Parteisprecher Georg Fürböck und streicht sich über den Bart. Eine andere Wahlkämpferin schüttelt über den Vertrauensvorschuss nur den Kopf: „Wie kann man so naiv sein?“

Oskar Lafontaine hat der WASG eine Absage erteilt. „Ich bin Sozialdemokrat. Ich werde keine Etikette empfehlen“, sagte er am Donnerstagabend vor rund 500 Zuschauern im Krefelder Seidenweberhaus. „Ich bin für eine starke Linke und gegen Zersplitterung. Eine andere Antwort kann ich euch nicht geben.“ Die Reaktion der in orange T-Shirts gekleideten WASG-Anhänger im Publikum: Gemurmel, Flüche, nur wenig Applaus.

Zum wiederholten Mal hat Lafontaine damit die Chance vertan, seinen Flirt mit der neuen Linkspartei in eine ernsthafte Beziehung zu verwandeln. Dabei hatte die WASG ihre Zuneigung deutlich vermittelt: Bei seinem Einzug in die Halle wurde Lafontaine frenetisch begrüßt, WASGler sprachen während seiner Rede gar von den „zehn Geboten Oskars“. In einer zweistündigen Diskussion übernahm das WASG-Bundesvorstandsmitglied Klaus Ernst zudem fast wortgleich die Forderungen Lafontaines nach höherer Unternehmensbesteuerung, gesetzlichen Mindestlöhnen und Rücknahme der Hartz-Reformen. „Seine Vorschläge sind auch unsere Vorschläge“, so Ernst.

Dass sich Lafontaine trotz aller öffentlich zur Schau gestellten inhaltlichen Übereinstimmung mit der WASG nicht zum Wahlkampfhelfer in Nordrhein-Westfalen machen will, trifft die Linkspartei hart. In einer neuen Emnid-Umfrage liegt die WASG knapp vier Wochen vor dem Wahltag am 22. Mai bei nur einem Prozent. Der WASG-Landesvorsitzende Hüseyin Aydin sieht Lafontaines verweigerte Wahlempfehlung auch deshalb nicht als Anlass, das Werben um eine charismatische Spitzenfigur einzustellen. „Lafontaine ist weiter eingeladen“, sagte er der taz. „Der Zug ist noch nicht abgefahren.“

Ärger hat Lafonaine jedenfalls auch in seiner alten politischen Heimat: SPD-Vertreter reagierten gestern mit Verachtung auf den Krefelder Auftritt. Generalsekretär Klaus Uwe Benneter drohte dem Saarländer zum wiederholten Male mit Rauswurf. „Wer fremde und andere Parteien im Wahlkampf unterstützt, der hat sich entschieden, dass er bei uns nicht mehr mittun will und nicht mehr mittun kann“, sagte Benneter. Falls Lafontaine die SPD doch noch verlassen sollte, rechnen selbst Vertreter der Parteilinken nicht mit Nachahmern aus den eigenen Reihen. Auch wegen der von Parteichef Franz Müntefering ausgelösten Kapitalismusdebatte fühlt sich der progressive Parteiflügel wieder behaglicher in der SPD.

Michael Müller, SPD-Fraktionsvize und Sprecher der Parlamentarischen Linken, bezeichnete Lafontaine gestern gegenüber der taz als „Feigling“ und „beleidigte Leberwurst“. Lafontaines Auftreten findet er „langsam zum Kotzen“. Gerade die Linken in der Sozialdemokratie hätten nicht vergessen, dass Lafontaine „immer versagt habe“, wenn er etwas politisch gestalten sollte, so Müller. Übertritte von SPD-Politikern zur WASG könne er sich deshalb schwer vorstellen: „Das sind doch politische Menschen, die Lafontaine erlebt haben.“