Ein Gen-Monster über Brandenburg

Greenpeace protestiert in Deutschlands Anbauregion Numero 1 für Gen-Mais gegen die drohende Verwässerung der Meldepflicht. Schon heute lässt sich nur mit Tricks herausfinden, wer hinter den meisten Gen-Äckern steckt: Monsanto

AUS ALTLANGSOW NICK REIMER

Sie sehen: erst mal nichts. Von einem graubraunen Acker abgesehen, auf dessen Krumen allenfalls Ansätze der Saat erkennbar sind. Trotzdem ist hier totale Bambule: Gelb beschürzte Greenpeace-Menschen rollen einen riesigen Drachen aus, schlagen Warnschilder rings um den Rain: „Vorsicht Genmais“.

„Wir wollen ein Zeichen setzen“, sagt Elvira Burster, eine Grundschullehrerin, die extra aus Freiburg an die Grenze zu Polen gekommen ist. Woher aber weiß man eigentlich, dass die unscheinbaren Triebe gentechnisch verändert sind? „Das neue Gentechnik-Gesetz gibt Auskunft“, sagt Martin Hofstedter. Der Agrarwissenschaftler von der Uni Kassel wurde von Greenpeace als Experte geladen. Im ersten – bereits gültigen – Teil des Gesetzes ist eine Meldepflicht festgeschrieben. „Wer gentechnisch veränderte Saat ausbringen will, muss das drei Monate zuvor anmelden und die Flurstücke benennen“, so Hofstedter. Das Bundesagrarministerium veröffentlicht sie.

Ergebnis: in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen meldeten Landwirte Gen-Aussaat auf bis zu 100 Hektar an, in Mecklenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt wurden bis zu 500 Hektar ausgewiesen. In Brandenburg – speziell Ostbrandenburg – wurde deutlich mehr angemeldet. Der Rest der Republik ist Gentech-frei.

Wieso ausgerechnet Ostbrandenburg? „Um das beantworten zu können, braucht man eine Auskunft des Katasteramtes beim Landkreis“, sagt Hofstedter. Das Ministerium veröffentlicht nämlich nur, wo ausgesät wird, nicht aber von wem. Dummerweise sind beim Katasteramt nur Rechtsanwälte, Notare und Betroffene – also Anwohner – auskunftsberechtigt. Henning Strodthoff von Greenpeace verrät nicht, mit welchem Trick er an die Information kam. Das aber schon: „Die Anmelderin ist Geschäftsführerin eines Agrarbetriebes in Seelow, ihr Mann der deutsche Produktmanager für Genmais bei Monsanto.“

Sogar gegenüber der Kirche soll in Altlangsow Genmais angebaut werden – auf dem Friedhof. Strodthoff: „Dieser Antrag ist natürlich Unsinn. Aber ein gefährlicher Unsinn: Die Monsanto-Leute melden jede für sie verfügbare Fläche an, um nachzuweisen, dass Genmais akzeptiert wird und Aufwind bekommt.“

Aufwind bekommt jetzt jedenfalls der Greenpeace-Drachen, der ein 16 mal 8 Meter großes Plakat in den Himmel zieht: Die Fratze des Mais leuchtet in der Sonne. Elvira Burster ist damit zufrieden. „Zehn Gentechnikbefürworter sind für 85 Prozent der Gen-Äcker verantwortlich. 80 Millionen Deutsche wollen das Zeug aber nicht.“ Immerhin gibt es Gründe für die Bauern, Genmais anzubauen: Zum Beispiel den Maiszünsler, der diesen nicht verträgt. Das Insekt hat hier im Oderbruch im letzten Jahr große Schäden angerichtet. Die Union lehnt deshalb den 2. Teil des Gentechnik-Gesetzes im Bundesrat ab. Strodthoff: „Ihr Ziel: Die Meldepflicht deutlich aufzuweichen.“ Experte Hofstedter hält das für kurzsichtig: „Im Süden von Seelow hat ein Biobauer so lange mit seinem konventionellen Nachbarkollegen diskutiert, bis der auf seine Gen-Pläne verzichtete.“

Sein Argument: Regressforderungen. „Werden die Meldevorschriften verwässert, sind derart gütliche Einigungen natürlich nicht mehr möglich. Man weiß ja nicht mehr, mit wem man reden muss.“ Dann, so Hofstedter, müsste man wieder mit dem Teströhrchen durch die Gegend laufen. Enthält der Mais ein gewisses Eiweiß, steigt der Teststreifen bis zum zweiten Strich. Bedeutet: Genmais.

http://194.95.226.234/cgi/lasso/abr/standorte.lasso