„Niemiecki Głos“ drukowany w Polsce

Die „Deutsche Stimme“, das Parteiblatt der NPD, wird in Polen gedruckt. Die Partei zeigt sich von der Enthüllung peinlich berührt. Zugleich offenbart der Skandal, wie Hetzverleger systematisch und bewusst das Presserecht verletzen

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Von Patriotismus schwafeln, die Aufträge aber nach Polen vergeben: Dieses Geschäftsgeheimnis hätte die NPD gerne für sich behalten. Kein Wunder, dass die Chefs der Parteizeitung Deutsche Stimme bei der Formulierung des Impressums für ihr Hetzblatt einige Fantasie aufbrachten. Die Zeitung des im sächsischen Riesa ansässigen Deutsche Stimme-Verlages werde im „Eigendruck“ gefertigt, versichern sie dort. Doch die Maiausgabe der Deutschen Stimme wurde nicht von deutscher Hand in Sachsen gedruckt, sondern im polnischen Jelenia Góra, dem früheren Hirschberg – obwohl die Rechtsextremen auch in dieser Nummer gegen „Produktionsverlagerungen in Billiglohnländer und andere unsoziale Entwicklungen“ wettern.

„Eigendruck“ in Polen? Natürlich habe die NPD keinen Betrieb in Polen gekauft, versicherte Verlagsgeschäftsführer Jens Pühse gestern der taz. Ob die Angabe ein Schwindel sei? „Das müssen Sie selbst beurteilen.“

Die Affäre um ihr Osteuropageschäft erwischte die NPD im falschen Moment. Just am Mittwoch, als die Fraktion eine Landtagsdebatte zum Thema „Grenzen dicht für Lohndrücker“ beantragt hatte, tauchte eine Meldung in der Regionalpresse auf: Bei einer Polizeikontrolle nahe Riesa waren Beamte auf ungewöhnliche Fracht in zwei polnischen Lkws gestoßen. Die Laster hatten die Maiauflage der Deutschen Stimme an Bord. CDU-Innenminister Thomas de Maizière warf der NPD daraufhin vor, sie habe „offenbar selbst als Lohndrücker agiert“.

Die Landtagsdebatte geriet für die Rechtsextremen zum Desaster. Holger Apfel, NPD-Fraktionschef und Chefredakteur des Hetzblattes, parierte den Spott der Gegenseite mit Pöbeleien, titulierte die PDS-Abgeordneten als „Rotfaschisten“, den Innenminister als „Arschloch“. Die NPD sei Opfer einer „gesellschaftlichen Pogromstimmung“. Man habe nur in Polen drucken lassen, weil keine deutsche Druckerei das Parteiblatt drucken wolle, beteuerte Apfel: Die Lage erinnere ihn an Zeiten, als es geheißen habe: „Kauft nicht bei Juden.“

In der Druckbranche hält man das Boykottgejammer für wenig glaubhaft. In der Tat dürfte die Suche für den NPD-Verlag schwierig sein, aber nicht aussichtslos, urteilt ein Branchenkenner. Der Import der Blätter aus Polen sei für die NPD vermutlich einfach kostengünstiger gewesen als ein Transport aus Oberbayern.

Dass Geschäfte mit Rechtsextremen riskant sein können, zeigt der Fall der Weimarer Union Druckerei. Sie hatte über Jahre die Rechtspostille Junge Freiheit hergestellt und zog sich 1994 nach einem Brandanschlag zurück. Dieter Stein, Chefredakteur der Jungen Freiheit, versichert aber, sein Blatt werde weiter in Deutschland gedruckt. Wo genau, das will er allerdings nicht verraten. Auch im Impressum fehlt die Information.

Dass sie damit systematisch das Presserecht verletzen, ist den Verantwortlichen in den Verlagsetagen der Jungen Freiheit offenbar ähnlich schnuppe wie den NPD-Kollegen aus Riesa. Das sächsische Landespressegesetz verlangt, im Impressum müssten „deutlich sichtbar Name oder Firma und Anschrift des Druckers“ stehen. „So ein Verstoß ist eine Lappalie“, sagte NPD-Mann Pühse der taz.

Ob auch das Polengeschäft eine Lappalie ist, darüber tobt inzwischen der Streit in einschlägigen Internetforen. Selbst wenn der Drucker kein „Volkstumsdeutscher“ sei, tröstet ein Rechtsextremer die aufgebrachten Kameraden, „dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es sich um einen Deutschen handelt, dessen Ahnen im Laufe der Jahrhunderte polonisiert wurden“.