ANGEHÖRIGE GEGEN GENERALAMNESTIE

Algeriens Präsident Abdelasis Bouteflika will das Kapitel des „schmutzigen Kriegs“ abschließen, bei dem in dem nordafrikanischen Land in den 90er-Jahren an die 200.000 Menschen ihr Leben verloren. Vor einem halben Jahr, am 1. November 2004, stellte er eine Generalamnestie in Aussicht. Eine nationale Kommission „aus Persönlichkeiten aller politischen und gesellschaftlichen Strömungen“ wurde ins Leben gerufen. Wer genau ihr angehört, ist bis heute nicht öffentlich. Ihr Vorsitzender Abderezak Smail war vorher nur dem Namen nach bekannt. Aushängeschild der Kommission ist ihr Ehrenvorsitzender, der erste Präsident Algeriens nach der Unabhängigkeit, Ahmed Ben Bella.

Laut Smail soll ein Weg gesucht werden, die Strafverfolgung für all diejenigen aufzuheben, die an der „nationalen Tragödie“ – dem blutigen Konflikt zwischen radikalen Islamisten und Armee von 1991 bis 1999 – beteiligt waren. Die Amnestie soll sowohl für die Verbrechen des islamistischen Untergrunds gelten als auch für die Menschenrechtsverletzungen seitens der Armee und Polizei. Angeblich finden zurzeit Gespräche mit den Emiren (Führern) verschiedener bewaffneter Gruppen statt, um sie zur Rückkehr ins zivile Leben zu bewegen. Die Zunahme von Anschlägen in den letzten Wochen interpretiert Algeriens Presse als Teil des Verhandlungspokers. Unterstützerkomitees von Bouteflika halten bereits vielerorts Veranstaltungen zum Thema Generalamnestie ab, um „die Bevölkerung zu sensibilisieren“. Schließlich soll ein künftiges Amnestie-Gesetz per Volksabstimmung angenommen werden. Einzelheiten zu Straferlass gibt es auch auf diesen Veranstaltungen nicht.

Menschenrechtsorganisationen und Opferverbände wollen von einer Generalamnestie nichts wissen. Sie sehen darin nur einen Manöver, um die Menschenrechtsverletzungen endgültig der Strafverfolgung zu entziehen. Denn eine Amnestie für den Untergrund gibt es bereits seit 2000. Damals führte Bouteflika ein Gesetz zur Nationalen Einheit ebenfalls per Volksabstimmung ein. „Erst die Wahrheit, dann die Aussöhnung“ lautet ihr Motto. RW