„Die NPD wird zermalmt“

Der Erfolg der Rechtsextremen hängt auch vom Wahlkampf der etablierten Parteien ab, sagt der Duisburger Rechtsextremismusexperte Siegfried Jäger. Von einer funktionierenden „Volksfront“ kann keine Rede sein

taz: Herr Jäger, bei der Wahl in NRW hat die NPD keine Rolle gespielt. Waren die Warnungen vor ihr hysterisch?

Siegfried Jäger: Nein, ihre Wahlerfolge in Sachsen bleiben ja unbestritten. Immerhin ist es der NPD gelungen, in diesem Bundesland langfristig eine Infrastruktur aufzubauen, die zu einer starken Verankerung in der Bevölkerung geführt hat und weit über die Grenzen Sachsens hinausreicht.

Deutet ihr schlechtes Abschneiden bei westdeutschen Landtagswahlen darauf hin, dass die NPD im Westen keinen Fuß fassen wird?

Ja, aber man muss sich auch die spezifischen Hintergründe in Ost und West anschauen. Die NPD hat in Sachsen zehn Jahre gebraucht, um eine Parteistruktur und eine Basis aufzubauen. Einen solchen Rückhalt hat sie in NRW nicht. Ein weiterer zentraler Aspekt ist der unterschiedliche Zustand der CDU. Immerhin gibt es bei den sächsischen Christdemokraten eine Reihe von Mandatsträgern, die im Landtag mehrfach mit der NPD gestimmt haben, und weitere, die offen eine Affinität zu Gedanken des ultrakonservativen Publizisten Günther Rohrmoser haben. Im Gegensatz zur CDU in NRW hat die Abgrenzung der CDU in Sachsen nach rechts nicht so richtig geklappt.

Es hängt also vom Verhalten der etablierten Parteien ab, wie Rechtsextremisten bei Wahlen abschneiden?

Auf jeden Fall. Das kann man in allen europäischen Ländern beobachten. Überall wo etablierte Parteien Themen wie Ausländerpolitik und Einwanderung demagogisch und populistisch aufgegriffen haben, waren die Rechtsextremisten erfolgreich. Wie unsere Studien gezeigt haben, gibt es in weiten Teilen der Bevölkerung einen latenten Rassismus, der immer wieder geweckt wird. Diese Themen haben bei den NRW-Wahlen dieses Mal aber keine Rolle gespielt. Nicht mal Jürgen Rüttgers früherer Spruch „Kinder statt Inder“ tauchte bei seiner CDU auf.

Vor einigen Jahren haben Sie noch gesagt, die Ostdeutschen seien nicht anfälliger für rechtsextremes Denken als Westdeutsche. Sehen Sie das immer noch so?

Diese Meinung würde ich inzwischen revidieren. In der brandenburgischen Uckermark zum Beispiel gibt es Städte, in denen die Nazis fest im Städtebild verankert sind. Man trifft sie in Cafés, in Buchhandlungen. Wenn man die Passanten fragt, was denn hier vorgehe, dann antworten sie, dass sie es auch nicht toll finden. Aber dann kommt’s: Die Ausländer haben wir aber auch nicht so gerne. Was aktuell noch besorgniserregend ist: Im Osten gibt es inzwischen eine gute Kooperation zwischen der NPD und den militanten Neonazis.

Das ist in NRW anders?

Von Geschlossenheit oder gar dem gelingenden Aufbau einer „nationalsozialistischen Volksfront“ kann hier in NRW überhaupt nicht die Rede sein. Selbst wenn NPD und „Republikaner“ zusammen kandidiert hätten, wären sie kaum über zwei Prozent hinausgekommen.

Die NPD-Spitze möchte ihre Anhänger ständig für die „Volksfront“ begeistern – und ist zumindest bei den vergangenen Wahlen mit dieser Strategie gescheitert. Führt das zu internen Streitigkeiten?

Diese Querelen sind voll im Gange und reichen bis hin zu Ausschlussanträgen gegenüber führenden Mitgliedern.

Hat die NPD jetzt noch eine Chance, im Herbst in den Bundestag einzuziehen?

Nein, das ist sehr unwahrscheinlich. Aber Entwarnung möchte ich dennoch nicht geben. Der Erfolg der NPD hängt auch davon ab, wie das Thema Einwanderung, vor allem aber das Thema Arbeit in den nächsten Monaten von den großen Parteien aufgegriffen wird.

Profitiert die NPD denn von den vorgezogenen Bundestagsneuwahlen?

Je kürzer die Zeit ist, die die rechtsextremen Parteien für den Wahlkampf haben, desto geringer würde ich ihre Chancen einschätzen. Zudem: Wenn es nun tatsächlich zu dem angekündigten Lagerwahlkampf zwischen Rot-Grün auf der einen Seite und Schwarz-Gelb auf der anderen kommt, besteht die Hoffnung, dass die NPD dazwischen zermalmt wird.

Die Hartz-IV-Betroffenen fühlen sich aber von keiner der etablierten Parteien vertreten. Zumindest in Sachsen konnte die NPD mithilfe dieser Proteststimmen punkten. Nimmt die neue Linkspartei der NPD zusätzlich Wind aus den Segeln?

In NRW fielen diese Stimmen dafür der linken Wahlalternative zu, die mit 2,2 Prozent im ersten Anlauf einen durchaus beachtenswerten Erfolg erzielen konnten – und das trotz mangelnder Verankerung vor Ort. Aber ich glaube ohnehin nicht an die These, dass die Leute die NPD aus Protest wählen. NPD-Wähler sind alles in allem doch überwiegend Überzeugungstäter.

INTERVIEW: FELIX LEE