kuckensema: auf bremens leinwänden
: „Hotel Nooteboom“ von Heinz Peter Schwerfel

Man kennt diese Porträts von berühmten Schriftstellern, gemalt oder fotografiert, in denen der Künstler edel und nachdenklich in die Ferne blickt, möglichst noch mit Feder in der Hand oder an der Schreibmaschine, und vor einem prallgefüllten Bücherregal. All jene, die den Autor kennen, vielleicht sogar bewundern, lesen unwillkürlich immer auch dessen Werke mit in das Gesehene hinein, während der Uneingeweihte meist nur wenig mit diesen so ganz und gar konventionell gemachten Bildern anfangen kann.

Genauso funktioniert auch der Film „Hotel Nooteboom“, den Heinz Peter Schwerfel anlässlich des 70. Geburtstags des niederländischen Schriftstellers Cees Nooteboom gedreht hat. Dessen Leser kommen voll auf ihre Kosten: Die schönsten Stellen aus seinen besten Romanen werden von solch renommierten Vorlesern wie Otto Sander und Martin Wuttke kredenzt. Nooteboom selber reiste mit dem Kamerateam zu den Handlungsstätten seiner Werke wie Lissabon, Paris, Berlin und Budapest und traf sich dort mit hochgebildeten Freunden, die Anekdoten über ihn zum Besten geben und jeweils ihr Lieblingsbuch von ihm analysieren, und immer wieder sieht man ihn nachdenklich und edel in die Kamera blickend, schön altmodisch mit einem Füller schreibend und inmitten von Büchern, Büchern, Büchern.

Der Film ist rekordverdächtig: Ich zumindest habe noch nie so viele von der Kamera umschmeichelte Buchrücken auf einer Leinwand gesehen. Einige davon in schönen Einstellungen wie denen von Nooteboom in einer noblen und uralten portugiesischen Bibliothek oder in dem Schwenk über die internationalen Ausgaben eines seiner Romane in den unterschiedlichsten Sprachen. Aber mit der Zeit reicht es dann mit dem Ausstellen von bedrucktem Papier, genauso wie mit all den gediegenen Aufnahmen von Landschaften und Hotelzimmern, die jeweils die Textauszüge aus „Die folgende Geschichte“, „Rituale“ oder dem titelgebenden „Hotel Nooteboom“ illustrieren.

Denn viel mehr als solch eine Bebilderung leistet Schwerfel hier nicht. Er versucht erst gar nicht, optische Kontrapunkte zu den literarischen Virtuositäten zu finden, und so entsteht ein irritierendes Ungleichgewicht zwischen Bild und Ton, zwischen Form und Inhalt. Was hätte etwa ein Filmemacher wie Johan van der Keuken, der ein ähnlich besessener Reisender wie sein Landmann Nooteboom ist, aus dieser Reise durch das Werk des Autoren machen können? Schwerfel ist zwar mit dem Autoren durch Europa gefahren, aber es gelang ihm und seinem Kameramann Marcel Neumann dabei nie, das Essentielle des Reisens, das ja den poetischen Kern von Nootebooms Texten bildet, auf Film zu bannen.

Dafür ist er gründlich. Man erfährt viel über Cees Nooteboom, der sehr sympathisch in fast druckreifem Deutsch mal plaudert und mal philosophiert, und genauso klug und geschliffen sind auch die Gespräche mit seinen Freunden und Kollegen. Connie Palmen und Marie Depusseé halten gleich kleine literaturtheoretische Proseminare ab. Mit dem Philosophen Rüdiger Safranski isst der Autor in seiner Berliner Lieblingskneipe deftige deutsche Gerichte und László Földényl darf seine Lieblingsstelle von Nooteboom in ungarisch vorlesen.

Alles sehr kultiviert, elegant fotografiert und mit elegischer Langsamkeit geschnitten – Kunstgewerbe halt. All jene, die Nootebooms Stil mögen, können sich über diesen cineastischen Starschnitt freuen, aber ob jemand durch diesen Film Lust darauf bekommt, in die nächste Buchhandlung zu gehen und eines seiner Bücher zu kaufen, ist eher fraglich. Wilfried Hippen

„Hotel Nooteboom“ läuft im Rahmen von „Poetry on the Road“ heute und So. um 18.00 sowie Fr. u. Sa. um 20.30 Uhr im Kino 46