Für Schwarzhörer

Der passende Wein zu 180-Gramm-Vinyl: Das Magazin „LP“ pflegt die Schallplatten-Liebe jenseits aller Hipness

Wer auf Vinyl statt CD oder iPod setzt, ist ein Individualist und zieht französische Autorenfilme dem Hollywood-Kino vor. So das Klischee. Wer nun also automatisch das Bild eines hippen DJs mit einer Plattentasche vor Augen hat, auf der „Staubgold“ steht, für den ist die Lektüre des Magazins LP, dessen Mai-Nummer die vierte Ausgabe überhaupt ist, eine echte Horizonterweiterung.

Der Vinyl-Liebhaber, den LP (Untertitel: Magazin für Analoges Hifi & Vinyl-Kultur) anspricht, ist nicht cool, sondern ein Briefmarkensammlertyp, der seine Platten vor allem deswegen kauft, um sie mit Schutzhüllen versehen zu dürfen. Der LP-Leser hat zu Hause nicht nur einen simplen Plattenspieler stehen, sondern ein Gerät im Wert eines Kleinwagens mit „klassischer Masselaufwerk-Konstruktion“, dessen „Inverslager von einem digital geregelten 3-phasigen Gleichstrommotor angetrieben“ wird.

Bei LP wird eine simple Platte zum Mittelpunkt einer Verschwörungstheorie. Diese besagt, dass die CD von der Plattenindustrie des Profits wegen als vermeintlich besser klingender Tonträger durchgesetzt wurde. Doch dank „klassischer Masselaufwerks-Konstruktion“ könne man beweisen, dass in Wahrheit nichts an den vollendeten Klang einer in der Innenhülle „Deluxe“ aufbewahrten Vinylplatte herankomme. Diejenigen, die es bereits besser wissen, werden von der fünfköpfigen LP-Redaktion mit Sitz in Duisburg konsequent „Schwarzhörer“ genannt, die Partizipierende einer „Vinylkultur“ sind, die sich als Antipode zur niedergehenden „Klangkultur“ versteht.

Es ist wirklich atemberaubend, wie LP es schafft, der Vinylplatte jeglichen Nimbus von Coolness zu rauben. Um Musik geht es nur vordergründig, es geht ums Besserwissen und ums Rechthaben und um das verzweifelte Erhaschen von Distinktion. Denn wer sich wirklich für seitenlange Berichte darüber interessiert, was man beachten soll, „wenn der Plattenspieler an die Wand soll“, der kauft sich auch seine Bratpfannen bei „Manufactum“, weil nur Spiegeleier aus Spritzguss-Bratpfannen wie echte Spiegeleier schmecken.

LP möchte eben unsere Sinne schärfen, sogar der passende Wein wird zum 180-Gramm-Vinyl empfohlen. Die Langspielplatte soll für echte Werte einstehen, für etwas, das trotz Wegwerfgesellschaft mit viel Liebe behandelt werden will. Dank LP geht man wieder ganz anders über den Flohmarkt. Denn man findet dort keine welligen Deep-Purple-Platten mehr, sondern ausschließlich „schwarzes Gold“.

ANDREAS HARTMANN

LP – Magazin für Analoges Hifi & Vinyl-Kultur (Michael E. Brieden Verlag) erscheint alle zwei Monate und kostet 4,80 Euro