crime scene: Ben Pastors Roman „Kaputt Mundi“ mit dem Wehrmachtsoffizier Martin Bora als Hauptfigur
:

Krimis, die in der Zeit des Nationalsozialismus spielen, sind selten, aber es gibt sie. Philip Kerr zum Beispiel hatte in „Feuer in Berlin“ (1989) und zwei weiteren Bänden einen Privatdetektiv im Deutschland der Dreißigerjahre etabliert. Hinter seinem engagierten Ermittler verbarg sich ein ehemaliger Polizist, der mit der Machtergreifung Hitlers aus dem Staatsdienst ausgeschieden war und bereits damit eine gewisse moralische Integrität besaß. Auch Richard Birkefeld und Göran Hachmeister gingen in „Wer übrig bleibt, hat Recht“ (2003) in dieser Hinsicht auf Nummer sicher: Die Hauptfigur in ihrem Roman war ein SS-Sturmbannführer, der in den letzten Kriegsmonaten doch noch dem Ruf seines Gewissen folgte.

Die italienische Autorin Ben Pastor macht es sich nicht ganz so einfach. „Kaputt Mundi“ heißt ihr Debütroman, die Handlung ist 1944 in Rom angesiedelt, und Hauptfigur ist der deutsche Wehrmachtsoffizier Martin Bora. Von einem schlechten Gewissen kann bei ihm keine Rede sein: „Spanien, Polen, Russland – ich habe mich überallhin freiwillig gemeldet. Im Krieg zu sein macht in gewisser Weise genauso viel Spaß wie verliebt zu sein.“

Während sich die alliierten Truppen nähern, soll Bora den Mord an der deutschen Botschaftssekretärin Magda Reiner klären. Die Ermittlungen sind heikel, weil unter ihren Liebhabern sowohl der Generalsekretär der „Camera dei Fasci e delle Corporazioni“ als auch ein hoher SS-Offizier war, und Bora macht sich in Rom schnell Feinde.

In diesem Sinne hat der überzeugte Katholik Bora wohl seine „guten Seiten“ – er ist ein „ehrenhafter Soldat“, wie Ben Pastor im Vorwort schreibt, wo sie erklärt, dass ihr von Stauffenberg als Vorbild gedient habe. Auch wenn die 1950 geborene Autorin als Tochter einer Jüdin und Enkelin eines Antifaschisten einen unverdächtigen Familienhintergrund hat, befürchtet man zunächst rein instinktiv eine Art Ehrenrettung der Wehrmacht. Doch „Kaputt Mundi“ ist kein revisionistisches Statement, sondern beschreibt eine subtile und manchmal schmerzhafte moralische Gratwanderung.

Martin Boras Überzeugung, dass „die Wehrmacht nichts mit Politik zu tun“ habe, wird spätestens dann auf die Probe gestellt, als er Zeuge des Massakers in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom wird. Die Fakten sind bekannt: Nachdem italienische Widerstandskämpfer am 23. März 1944 einen Anschlag auf ein SS-Regiment verübt hatten, einigten sich SS und Gestapo zusammen mit der Wehrmacht auf eine „Quote“ von „eins zu zehn“. Am folgen Tag wurden für jeden der 33 getöteten Deutschen zehn italienische Zivilisten erschossen.

Zu den Verantwortlichen für diesen historisch verbürgten Massenmord gehörte unter anderem Generalfeldmarschall Kesselring, der in „Kaputt Mundi“ nun einen Auftritt als väterlicher Freund des jungen Majors hat. Martin Bora nimmt die Nachricht über die „Repressalie“ mit „schwerem Herzen“ auf, aber auch wenn er einen italienischen Freund vor dem Erschießungskommando rettet, klammert er sich weiterhin an die Überzeugung, dass es „im Krieg auf alle Fragen eindeutige Antworten“ gibt. Bora ist und bleibt Soldat, und seine Mischung aus preußischem Pflichtbewusstsein, katholischen Selbstzweifeln und einem fatalen Hang zur Selbstzerstörung machen aus ihm einen abstoßenden und zugleich faszinierenden Helden.

Das Provokanteste an der Figur ist wohl, dass auch sie den Gesetzen der literarischen Serie folgt und zumindest an der Oberfläche intakt bleibt, während – „kaputt mundi“! – in Rom und anderswo die Welt in Stücke zerfällt: Ben Pastor hat in Italien bereits vier weitere Martin-Bora-Romane veröffentlicht. KOLJA MENSING

Ben Pastor: „Kaputt Mundi“. Aus dem Italienischen von Sylvia Höfer und Barbara Krohn. Piper, München 2005, 485 Seiten, 14 Euro