Die Heuschrecken sind gelandet

Die taz-Landkarte zeigt: Obwohl Gewinne sprudeln, vernichten Unternehmen Arbeitsplätze

Heuschrecken und Kapitalisten – seit Wochen schwelt der Streit um Arbeitsplatzvernichtung trotz sprudelnder Gewinne. Ausgewählte Fälle zeigen, dass auch an Rhein und Ruhr Jobs vernichtet werden, um die Renditeziele der Unternehmen zu verbessern (siehe taz-Heuschrecken-Karte). Wie sagte doch SPD-Chef Franz Müntefering über den Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann: „Seine Unternehmensethik stimmt nicht mehr, wenn er eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent zum Ziel erklärt und bei gewachsenen Gewinnen am selben Tag ankündigt, 6.400 Menschen zu entlassen.“

Ackermanns Pläne liegen im Trend: Bereits im Februar stieß der geplante Arbeitsplatzabbau bei T-Mobile in Bonn auf Widerstand bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Das Vorgehen des Mobilfunkanbieters gleiche dem der Deutschen Bank. Trotz hoher Gewinne sollten rund 1.100 Stellen gestrichen werden, kritisierte ver.di-Vertreter Ado Wilhelm. Da das Unternehmen hervorragend dastehe, gebe es keinen Grund für die Streichung.

Streichen trotz Gewinnen: so macht‘s auch die Bayer-Chemieabspaltung Lanxess in Leverkusen. Ende Mai wurde bekannt, dass sich der Konzern noch im laufenden Quartal mit dem Betriebsrat über den geplanten Abbau von 1.200 Stellen einigen will. Und dass, obwohl Lanxess seinen Gewinn von 26 Millionen auf 70 Millionen Euro steigern konnte.

Weiter geht‘s auf der Landkarte ins sauerländische Hemer. Dort wurde eine „Heuschrecke“ aus Übersee aktiv. Beim Sanitärhersteller Grohe in Hemer steht nach der Übernahme durch US-Investoren ein massiver Stellenabbau bevor. Demnach soll jeder dritte der 4.500 Arbeitsplätze in Deutschland gestrichen werden. Die Arbeiter demonstrierten – mit geringen Erfolgsaussichten.

„Heuschrecken“-Befall auch in Düsseldorf: Der amerikanische Investor Owens-Illinois (OI) will die profitable Glashütten-Produktion in Gerresheim schließen – angeblich wegen Überkapazitäten aufgrund von Dosenpfand, Alcopops-Besteuerung und Kartonverpackungen. 380 Jobs sind in Gefahr. Erst vor einem Jahr hatte ein britischer Finanzinvestor die attraktive Hütte für 1,4 Milliarden Dollar an OI losgeschlagen. Ein Betriebsrat sagte über das Geschäftsgebaren der ausländischen Investoren: „Das erinnert sehr an Münteferings Heuschrecken.“

Im vergangenen Jahr drohte Siemens den Beschäftigten der Handy-Werke in Bocholt und Kamp-Lintfort mit der Verlagerung von 2.000 Jobs nach Osteuropa. Die Firma setzte mit der Drohung die Einführung der 40-Stunden-Woche an den beiden NRW-Standorten durch. IG-Metall-Sprecher Werner Neugebauer kritisierte danach, die Mitarbeiter seien auf die „übelste Art und Weise“ zum Verzicht auf 20 Prozent ihres Lohnes bei fünf Stunden längerer Arbeitszeit gezwungen worden. „Währenddessen macht Siemens hervorragende Gewinne, das ist keine faire Situation.“ In Hattingen beim Rolltreppenproduzenten Kone wurde gar nicht erst gedroht, sondern gleich angekündigt, die lukrative Produktionsstätte nach China und England zu verlagern – trotz schwarzer Zahlen. Sollte das Kone-Werk tatsächlich geschlossen werden, verlieren mehr als 300 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. Besonders bitter: Die Fertigung in Hattingen war erst 1998 mit öffentlichen Mitteln modernisiert worden.

Europas zweitgrößter Heizgerätehersteller Vaillant beschloss im vergangenen Jahr trotz steigender Gewinne, 110 Arbeitsplätze am Standort Gelsenkirchen abzubauen, wo Vaillant insgesamt 272 Mitarbeiter beschäftigt. Teile der Vaillant-Produktion wurden aus dem Ruhrgebiet wegverlagert.

Die Heuschreckenkarte erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Schon morgen könnten die „Heuschrecken“ woanders landen. MARTIN TEIGELER