Gezerre um die gemeinsame Währung

Gerüchte um das Ende der Eurozone sorgten gestern für Aufregung in Berlin und Brüssel. Prompt folgen Dementis und Bekenntnisse zum Euro. Doch unter der gemeinsamen Währungsdecke gehen die Interessen recht weit auseinander

VON BEATE WILLMS

Beim Stern weiß man, wie News gemacht und so genannte Top-Themen gesetzt werden: „Finanzministerium und Wirtschaftsweiser Rürup sehen Euro als Wachstumsbremse“, meldete das Nachrichtenmagazin gestern und spekulierte zugleich über eine mögliche „Währungsunion-Auflösung“. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) und Bundesbankpräsident Axel Weber dementierten umgehend und „nachdrücklich“, dass es Anlass zu „dieser absurden Diskussion“ gebe. Auch EU-Währungskommissar Joaquín Almunia mischte sich ein und bezeichnete den Bericht als „lächerlich“.

Was war passiert? In einer Ökonomenrunde hatten Eichel und Weber mit Experten über die bisherigen Erfahrungen mit der Währungsunion gesprochen. Und über die Probleme mit der Umsetzung: Wie auch die Europäische Zentralbank – nicht als Erste – zuletzt in ihrem Mai-Bericht bestätigte, entwickeln sich Parameter wie Realzinsen, Lohnstückkosten, Inflationsraten und letztlich das Wirtschaftswachstum in den Mitgliedsstaaten auseinander. Nur zwei Beispiele: Die Preise stiegen im Eurozonen-Durchschnitt zuletzt um 2,2 Prozent, in Spanien um mehr als 3 Prozent, in Deutschland aber nur um 1,8 Prozent. Und die Lohnstückkosten (Löhne minus Produktivität) blieben hierzulande um 1,1 Prozent hinter dem Mittelwert zurück, während sie in Spanien ebenso weit darüber lagen. Das führt zum Ungleichgewicht innerhalb der Eurozone. Und zu unterschiedlichen politischen Aufgaben, die mit gemeinsamer Geldpolitik nicht zu lösen sind.

Dass die innere Divergenz nun aber einen „Super-GAU“ für die Währungsunion absehbar mache, wie der Stern nahe legte, wiesen gestern nicht nur Eichel und Weber zurück. „Die Geldpolitik kann die unterschiedlichen Probleme nicht lösen“, bestätigte der Bremer Finanzprofessor Rudolf Hickel. Hier könne und müsse aber die Finanzpolitik einspringen. „Je größer die Divergenz in der Union, desto spezifischer müssen die nationalen Finanzpolitiken sein“, sagte er der taz. Um etwa die durch eine Immobilienblase getriebene spanische Inflation zu drücken, müsse Madrid seine Steuerpolitik entsprechend restriktiv ausrichten, Deutschland brauche dagegen eine expansive Entwicklung, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt bislang dagegen steht, hält Hickel für ärgerlich. „Aber es ist leichter, diesen zu ändern, als die ganze Währungsunion für gescheitert zu erklären.“ Und viel sinnvoller: Schließlich habe sich der gemeinsame Wirtschaftsraum als Gegengewicht zu den USA sehr bewährt.

Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger zeigte sich im Gespräch mit taz überzeugt, dass die nationalen Akteure „nur noch nicht gelernt haben, die Währungsunion ernst zu nehmen“ und in den anderen Politikbereichen mitzudenken. So brauche auch die Lohnpolitik eine europäische Dimension: Wenn sich die Lohnentwicklung überall an der gleichen Faustregel – etwa Inflationsrate plus Produktivitätsgewinn – orientiere, führe das letztlich zu einer Angleichung der Verhältnisse innerhalb der Union.