In den Regen gemalt

Die Schatten sagen mehr als Worte: „One Night Husband“, das Spielfilmdebüt der thailändischen Experimentalfilmerin Pimpaka Towira

Man kann es so erzählen: In der Hochzeitsnacht erhält Napat, der Ehemann, einen Anruf, er duscht, er verschwindet, Sipang (Nicole Theriault), die Ehefrau, erwacht, wartet, aber er kommt nicht wieder. Sie macht sich auf die Suche und muss erfahren, dass er ein Spieler ist und sie beileibe nicht die einzige Frau in seinem Leben. Sie wendet sich an seinen älteren, abweisenden Bruder Chatchai (Pongpat Wachirabunjong) und freundet sich mit dessen Ehefrau Busaba (Siriyakorn Pukkavesa) an, die von ihm unterdrückt und geschlagen wird. Stück für Stück setzt Sipang das Puzzle zusammen, das das Verschwinden Napats erklärt. So erzählt, ist „One Night Husband“ ein Kriminalfilm. So könnte man ihn sich im Sat.1-Hauptabendprogramm vorstellen.

„One Night Husband“, von der thailändischen Experimentalfilmerin Pimpaka Towira erzählt, ist jedoch ganz anders. Alles beginnt mit einer Einstellung, in der Bild und Ton ineinander verschwimmen, fahle Lichter in der Nacht und das Geräusch strömenden Regens. Keine Figur ist im Bild. Dann findet die Kamera Sipang im Halbschlaf, es ist, als erwachten mit ihr, langsam, zögernd, die Bilder, die Geschichte. Napat, der Mann, bleibt ein Schemen, bis er in das fahle Licht und den Regen hinaus verschwindet. Es wird nicht aufhören zu regnen, „One Night Husband“ ist ein in den Regen hinein gemalter Film, das Rauschen und Strömen nimmt und gibt dem Plot, der so trivial scheint, seine Form. Die Kriminalgeschichte, die er wie nebenbei erzählt, verliert sich in einer stillen Suchbewegung.

Es ist die Bewegung einer zärtlichen Annäherung Sipangs an Busaba, die geschlagene, die ein-geschüchterte Ehefrau. Sie geben einander Halt, und zwischen ihnen klärt sich zugleich das Geheimnis um Napats Verschwinden. In einer der schönsten Einstellungen nimmt Sipang Busaba schützend in den Arm, löst sich aus dieser Haltung, aus Angst, sich ihr damit zu sehr aufzudrängen. Busaba aber greift nach ihrem Arm, zieht Sipang wieder an sich.

„One Night Husband“ wird auch, ohne jedes Pathos, zur Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Verlorenen. Es fallen nicht sehr viele Worte, im ganzen Film nicht, wichtiger als das, was gesagt wird, ist der Regen, sind die Geräusche der Nacht, in die die Geschichte so nahtlos eingebettet ist, dass sie gelegentlich ganz darin zu verschwinden scheint.

Towira gibt diesem Verschwinden in ihren Bildern jedoch eine höchst präzise Form. „One Night Husband“ – der Originaltitel bedeutet in der Übersetzung sehr passend „Nacht der Schatten“ – ist aus sorgfältigen Einstellungen komponiert, in denen Licht und Dunkelheit, Schatten, Farben, Gegenstände den Figuren kaum nachgeordnet sind. Der Raum ist stets gestimmter, belebter Raum, nicht etwas, was dem Erzählen vorgängig wäre, sondern hervorgebracht erst von der Stille und der Bewegung der Kamera wie der Figuren. Towira bleibt in ihrem Spielfilmdebüt im besten Sinne Experimentalfilmerin: eine Forscherin in den Zusammenhängen von Bild, Geräusch, Bewegung, Figur und Geschichte. Und sie ist, nach Apichatpong Weerasethakul, schon die zweite wichtige thailändische Stimme des Weltkinos.

EKKEHARD KNÖRER

„One Night Husband“, Regie: Pimpaka Towira. Mit Nicole Theriault, Siriyakorn Pukkavesa u. a. Thailand 2003, 118 Min., ab 2. 6. im Eiszeit-Kino