„Die US-Demokraten müssen mutiger werden“

Abtauchen, schweigen, bloß nicht auffallen – das scheint die Devise der Demokraten zu sein, wenn es um den Irak geht. Mit dieser Appeasement-Politik gegenüber Bush verprellen sie die Kriegsgegner – und verlieren sie als Wähler

taz: Tom Hayden, vor wenigen Wochen haben Sie einen offenen Brief an den demokratischen Parteichef Howard Dean geschrieben und Ihren Unmut über die Haltung der demokratischen Partei zum Irakkrieg ausgedrückt. Worin besteht Ihre Kritik?

Tom Hayden: Die Demokratische Partei ist in der Gefahr, bei Anti-Kriegs-Wählern jede Glaubwürdigkeit zu verspielen. Die demokratische Wählerschaft ist zum allergrößten Teil gegen den Krieg, aber die Führung war seit den Wahlen schweigender Kollaborateur der Bush-Politik. Die Partei hat wohl gedacht, dass die Wahlen im Irak sehr gut für Bush sein würden, und dass sie ebenfalls die Wahlen unterstützen und sonst nichts machen sollte. Die Demokraten können aber sehr wohl etwas tun, was weder völliges Schweigen bedeutet noch die Forderung nach sofortigem Abzug.

Was denn?

Sie sollten eine sofortige Entscheidung über einen US-Truppenabzug in spätestens einem Jahr fordern. Das wäre eine Ermutigung für die Iraker, Gespräche über einen Waffenstillstand und eine Machtbeteiligung aufzunehmen. Die Demokraten sollten die irakische Friedensbewegung unterstützen. Die Demokraten könnten Anhörungen zu den Foltervorwürfen veranstalten und Wege finden, wie weitere Ausgaben für das irakische Haftsystem gestoppt werden, solange es dort nicht zu radikalen Reformen gekommen ist. Die Partei muss Lebenszeichen von sich geben, sonst gehen die ganzen Leute weg, die für Kerry gearbeitet haben.

Aber Kerrys Agenda für den Irak war doch von Bush gar nicht so weit entfernt. Der Unterschied bestand doch nur in der Einbindung der westlichen Verbündeten – was uns hier bereits Kopfzerbrechen bereitete …

Ich glaube, das war ihm gar nicht klar.

Aber Sie haben ja gesagt, politisch müsse sich die Partei mehr den Anti-Kriegs-Wählern zuwenden. Dabei war doch die Idee im Wahlkampf, dass deren Stimmen ohnehin garantiert seien und man insofern Stimmen der Mitte suchen müsse.

Es gibt keine Garantie. Im Jahr 2000 haben diese Leute Ralph Nader gewählt.

Das machen sie nicht nochmal.

Nein, und viele haben das als einen Fehler mit nicht vorhergesehenen Konsequenzen erlebt. So haben sich – trotz Kerry! – alle vereint. Aber es gibt keine Garantie, dass es so ein einheitliches Engagement noch einmal gibt. Viele bedauern ihren Einsatz für Kerry doch jetzt schon. Und auch die nächste Wahl wird sehr eng, so dass 5 Prozent der Wählerstimmen verdammt viel sind. Deans Projekt war es, diese Leute richtig in die Demokratische Partei einzubinden. Durch sein Schweigen setzt er das aufs Spiel.

Aber nochmal: Meinen Sie nicht doch, dass auch bei den nächsten Wahlen noch alle links von den Republikanern zusammenstehen, um die Konservativen zu schlagen? Und muss man daher nicht weiterhin Stimmen der Mitte suchen, um zu gewinnen?

Stimmt schon, aber aus Sicht der Friedens- und Gerechtigkeitsbewegungen ist die Lektion von 2004 noch nicht vergessen.

Welche denn?

Wir haben unsere Kritik eingestellt und alles unternommen, um uns hinter Kerry zu stellen. Und dann haben uns die Demokraten die kalte Schulter gezeigt und den Krieg im Irak unterstützt. Alle Demokraten im Senat haben für die 85 Milliarden Dollar zusätzliche Kriegsfinanzierung gestimmt. Das vergisst man nicht.

Als Hauptthema der Wahlen 2004 entpuppten sich ja dann „moralische Werte“ und religiöse Fragen. Seither versuchen demokratische Politiker, in ihren Reden immer mal wieder das Wort „Gott“ oder irgendwelche religiösen Phrasen einzubauen. Was halten Sie davon?

Das ist ein wichtiges Thema, aber Kerry hat nicht unbedingt deswegen die Wahl verloren. Die Mobilisierung der christlichen Rechten hat George Bush sehr geholfen. Aber die Mehrheit der Menschen ist mit Bushs Anlehnung an diesen Flügel nicht glücklich. Übrigens gelten die Demokraten zwar heute als weltliche Partei, aber das war ja früher mal anders: Die Bürgerrechtsbewegung wurde von Priestern angeführt.

Wer wird denn nächster Präsidentschaftskandidat?

Es wird ein Politiker sein.

Männlich oder weiblich?

Weiß ich nicht.

Hillary Clinton? Viele gehen davon aus, dass sie in jedem Fall antreten wird.

Die meisten denken, dass sie zu liberal ist. Aber sie hat den Vorteil, eine Reihe wirklich starker Unterstützergruppen zu haben. Aber sie war auch für den Krieg, und danach würde sie bei den Vorwahldebatten hundertmal gefragt werden. Wenn sie keine gute Antwort findet, wird sie nicht Kandidatin.

INTERVIEW: BERND PICKERT