Schulden, kaum Erlass

Deutschland favorisiert einen Vorschlag, nach dem nur fünf der ärmsten Länder ihre Schulden erlassen würden

BERLIN taz ■ Wenn sich Freitag die G-7-Finanzminister treffen und über einen Schuldenerlass für Entwicklungsländer reden, wird die deutsche Regierung gemeinsam mit Japan und Frankreich einen Vorschlag im Gepäck haben, der weit hinter allen Erwartungen zurückbleibt.

Hintergrund: Zurzeit wird Hilfe für die armen Länder groß geschrieben, weil sich die Welt verpflichtet hat, die Armut bis 2015 zu halbieren – bisher mit geringem Erfolg. Auf dem G-8-Gipfel im Juli will der britische Regierungschef Tony Blair deshalb einen „Marshallplan“ für Afrika vorstellen. Eine der drängendsten Fragen: Wo soll das Geld dafür herkommen? Eine der beliebtesten Lösungen aller reichen Länder: ein möglichst weitgehender Erlass der Schulden armer Länder gegenüber den reichen Ländern, dem Internationalen Währungsfonds und den Entwicklungsbanken.

Doch wie legt man fest, welchen Länder welche Schulden erlassen werden? Blairs Finanzminister Gordon Brown schlägt eine Art Pauschalerlass für Länder mit einem bestimmten Grad an Armut und Verschuldung vor. Und was die Verbindlichkeiten an die Entwicklungsbanken angeht, sollen die G 7 zumindest den Schuldendienst – also Zinsen und Tilgung – übernehmen.

Die Finanzminister aus Deutschland, Frankreich und Japan dagegen wollen jedes Land einzeln prüfen. Kriterien für einen Erlass sind das Verhältnis von jährlichem Schuldendienst- zu Exporthöhe sowie von Gesamtschulden zu Bruttoinlandsprodukt. Nach diesem Vorschlag kommen aber nur fünf Länder in Frage: Mauretanien, Mali, Äthiopien, Niger und Guyana. „Viel zu wenig“, kritisiert das Bündnis Erlassjahr.de, das sich seit Ende der 90er-Jahre für eine Schuldenstreichung einsetzt. „Länder wie Uganda, Bolivien, Haiti und Nigeria bleiben unberücksichtigt“, so Sprecherin Susanne Luithlen. Es dürfe nicht sein, dass unterm Strich weniger Ländern ihre Schulden erlassen werden als nach dem Vorschlag der Briten.

Selbst innerhalb der Bundesregierung ist der Vorschlag umstritten. Seit Jahren fordert das Entwicklungsministerium einen weitergehenden Schuldenerlass, als ihn das federführende Finanzministerium genehmigen will. Das war auch schon der Fall, als die G-7-Staaten 1999 einen Erlass von rund zwei Dritteln aller Schulden für bis zu 42 Ländern beschlossen.

Die Pläne von damals scheiterten an den komplexen Anforderungen: Waren die Kriterien für einen Erlass erfüllt, musste das Land erst einen Plan zur Armutsbekämpfung erstellen. Von der Idee her richtig, nur: In den rund fünf Jahren, die dafür notwendig waren, verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage nicht selten so massiv, dass der Erlass dann kaum noch Erleichterung brachte. Und: Oft führte der Verzicht der Gläubiger auch deshalb nicht zu dem erhofften finanziellen Spielraum, weil die Schulden längst abgeschrieben waren.

Tansania zum Beispiel ist heute höher verschuldet als früher, weil das frei gewordene Geld nicht reichte, um die mühsam erarbeiteten Programme zur Armutsbekämpfung zu bezahlen. Stattdessen tat Tansania das übliche: Es nahm neue Kredite auf.

KATHARINA KOUFEN