Irland begräbt sein kulturelles Ich

Dublin will eine Autobahn durch das archäologisch bedeutende Tara-Tal bauen, obwohl eigene Gutachter abraten. Es profitieren: Privatinvestoren und US-Vizepräsident Cheney

DUBLIN taz ■ Irland – das Land der Dichter und Druiden. Die Fremdenverkehrszentrale in Dublin wirbt gerne mit den Literaturnobelpreisträgern und dem kulturhistorischen Erbe. Zu den wichtigsten Stätten gehört der Hügel von Tara nördlich der Hauptstadt. Er war bereits für die neolithische Bevölkerung ein heiliger Ort, den sie ihrer Göttin weihten. Das irische Wirtschaftswunder ist bisher am Tara-Skryne-Tal und seinem berühmten Hügel vorbeigegangen, die Landschaft nahezu unberührt. Demnächst brausen Autos durchs Tal.

Die Regierung will eine Autobahn bauen, damit die Pendler schneller zur Arbeit nach Dublin kommen. Ursprünglich wollte man lediglich die existierende Landstraße, die weit entfernt an Tara vorbeiführt, ausbauen. Doch dann kam der Wirtschaftsboom. Die Politiker wollten nicht kleckern, sondern klotzen.

Die umweltfreundliche Variante, die stillgelegte Bahnstrecke nach Dublin wieder zu eröffnen, zogen die Politiker gar nicht erst in Erwägung. Laut Plan wird die Autobahn einen Kilometer vom Hügel entfernt verlaufen und ein Stück weiter ein Autobahnkreuz entstehen. Die Baugenehmigung liegt bereits vor.

Zuvor hatte die Regierung ein ökologisches Gutachten, den „Umwelt-TÜV“, eingeholt. Die eigenen Gutachter rieten, die Finger von Tara und Umgebung zu lassen, da man den Hügel nicht isoliert betrachten könne, sondern nur in Zusammenhang mit zahllosen anderen archäologisch wichtigen Stätten im Tal. Im Regierungsbericht war von dem Gutachten keine Rede.

Umweltminister Dick Roche hat nun grünes Licht für Ausgrabungen an 38 Stellen im Tara-Skryne-Tal gegeben. Er könne nichts für die Autobahn, beteuerte er, denn er sei in dieser Sache nur für die Archäologie zuständig. Das ist nicht korrekt: Hätte er die Ausgrabungsgenehmigung verweigert, würde es keine Autobahn geben. Darüber hinaus ist ausgerechnet die Straßenbaubehörde für die Ausgrabungen zuständig. Dass sie kein besonderes Interesse daran hat, Archäologen über Monate zu bezahlen und den Bau zu verzögern, liegt auf der Hand.

So wird es den Wissenschaftlern wohl so gehen wie in Dublins Wood Quay in den Achtzigerjahren. Dort wurde beim Bau der Stadtverwaltung ein verschüttetes Wikingerdorf entdeckt. Trotz höchstrichterlichem Urteil, das den Weiterbau untersagte, begrub die Stadtverwaltung diesen wichtigsten Fund aus der Wikingerzeit unter dem Neubau.

Die Bauarbeiten in Tara sollen Ende 2005 beginnen, falls die Gerichte das Projekt nicht stoppen – und sich die Regierung daran hält. Kulturschützer haben Klage eingereicht, Archäologen aus aller Welt Protestbriefe geschickt. Die in Berlin lebende Dublinerin Fionnuala Devlin hat eine Internetseite eingerichtet, auf der tausende Unterschriften zur Rettung Taras eingegangen sind. (www.protect-tara.org).

„Es gibt keinen Grund dafür, dass diese Autobahn durch Tara verlaufen muss“, sagt Devlin. Selbst der Regierung fällt keiner ein. Sie beschränkt sich darauf, die Bedenken abzutun: Man wolle den Hügel schließlich nicht abtragen. Es stellt sich die Frage, wer von der Autobahn profitiert. Sie soll 680 Millionen Euro kosten, doch irische Bauprojekte sind am Ende meist doppelt so teuer wie anfangs gedacht. Finanziert wird der Bau durch Steuergelder, Zuschüsse aus Brüssel und von Privatinvestoren. Für die ist das Projekt lukrativ, weil sie von den Autofahrern 30 Jahre lang eine Mautgebühr kassieren dürfen. Die Investition rentiert sich spielend.

Größter Profiteur wird Halliburton sein, die texanische Firma des US-amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney. Der hat einen guten Draht zum irischen Premierminister Bertie Ahern: Während des Irakkrieges durften die US-Kampfflugzeuge auf dem Flughafen Shannon im neutralen Irland zwischenlanden. RALF SOTSCHECK