der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… steht wieder einmal unter Beweisnot. Der CSD naht – die „homolettigste Zeit des Jahres“, wie das Berliner Szene-Starlet Biggy van Blond so gekonnt formuliert – und der Massenumzug gepiercter Kunstkörper will politisch gerechtfertigt sein, nach innen wie nach außen. Schließlich hat die Parade eine Geschichte, die zwar keiner mehr so genau kennt, aber die traditionelle Deklaration als „politische Demonstration“ erspart die Kosten für die Müllabfuhr danach.

Jedes Jahr wird es schwerer, dem CSD ein politisches Deckmäntelchen zu verpassen, die Parolen wurden x-mal schon skandiert, die Forderungen immer wieder gestellt. Entsprechend fantasielos hört sich die Litanei in diesem Jahr beispielsweise in Berlin an: „Keine Kürzungen bei …! Keine Streichungen von …! Ein umfassendes Landes-…! Die Ergänzung von …!“ Das ist so richtig wie falsch, so überflüssig wie angebracht, schmutzt nicht und tut niemandem weh.

Zum Glück gibt es in diesem Jahr noch Warschau und Lech Kaczynski. Der Bürgermeister der polnischen Hauptstadt will erneut den CSD auf seinen Straßen verbieten, schließlich sei er – so das trotzige Selbstbekenntnis – ein Gegner „schwulenorientierten Verhaltens“. Darüber lässt sich ordentlich streiten und echauffieren, endlich mal wieder eine handfeste Diskriminierung, die korrekte Solidaritätsadressen verlangt und die Umzüge hierzulande auflädt mit einem klitzekleinen Hauch von politischer Berechtigung – ganz umsonst und man muss auch gar nichts dafür tun.

Trotz alledem – schon längst ist der Marsch der Äffinnen in der Kommerzfalle gelandet. War es nicht 2003, als der Berliner Umzug von einem US-Bulettenbrater angeführt wurde? Irgendwelche Firmen, die so wenig bei den Homos verloren haben wie der Papst im Kreißsaal, reißen sich darum, mit Wagen und Werbesprüchen präsent zu sein, der gute Ruf der schwulen Gemeinde als williger Testmarkt scheint ungebrochen. In Hamburg beispielsweise ist die Morgenpost dabei, „erstmals mit eigenem Truck … 19 Meter lang, 4,50 Meter Höhe und Platz für 120 Paradiesvögel …“ – allein bei letztgenannter Kategorie möchte man schon brechen – „… mit Bonbons, Schlüsselbändern und 3.000 MOPO-Kondomen“. „Hosen runter, Hände hoch!“, heißt die CSD-Parole des sozialdemokratischen Spießerblattes und holt dazu seine „rosaroten Lederhöschen aus dem Schrank“. Die Homos lassen sich das wie immer gern gefallen und halten es ansonsten mit der PR-Philosophie einer jeden ordentlichen Skandalnudel: „Hauptsache der Name ist richtig geschrieben!“

„Sei stolz auf das, was du bist!“, hieß es im Juni 1969 nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Tunten, Transen und der Polizei in der New Yorker Christopher Street: „Und wenn Aufruhr notwendig ist, um denen zu zeigen, was wir sind – gut, dann ist das die einzige Sprache, die die Schweine verstehen!“ In Erinnerung daran fährt heute der rosa MOPO-Truck durch Hamburg, und das Berliner „smart center“ wirbt während der tollen Tage für das Smart Coupé mit dem Slogan „Gay Pride!“. Besser – seien wir ehrlich, zeitgemäß und aufgeklärt – lässt sich des weltweiten Beginns einer schwulen Emanzipationsbewegung nicht gedenken!