Berlin ist bald weniger pleite

Ab 2007 will Berlin keine neuen Schulden machen. Aber dem Land bleibt dann ein Schuldenberg von 70 Milliarden Euro. Geplante Abfindungen für Fondseigner der Bankgesellschaft umstritten. Bis 2009 jährlich 3.500 Stellen weniger

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ist geübt darin, schlechte Nachrichten mit viel Aufwand als gute Nachrichten zu verkaufen – und umgekehrt. Nach der Verabschiedung des Entwurfs für den Doppelhaushalt 2006/07 durch den Senat ließ sich gestern das gleiche Spiel beobachten.

Der gute Teil von Sarrazins zweischneidiger Botschaft: Berlin werde im Jahr 2007 erstmals seit langer Zeit keine neuen Schulden aufnehmen müssen. Der schlechte Part: „Trotz dieser Sanierungsfortschritte bleibt Berlin in einer extremen Haushaltsnotlage“, sagte Sarrazin. Bis 2009 werden allein die Zinsen für den dann fast 70 Milliarden Euro großen Schuldenberg auf 3 Milliarden Euro pro Jahr anwachsen. Sarrazins Fazit: „Eine Teilentschuldung durch die bundesstaatliche Gemeinschaft ist zwingend notwendig.“

Das war ein deutlicher Wink in Richtung Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter entscheiden über eine Klage des Landes Berlin, das Anspruch auf 35 Milliarden Euro Sanierungshilfen des Bundes erhebt, um sich einen Großteil der gewaltigen Schuldenlast vom Hals zu schaffen. Ein Lobgesang des Senators auf die eigenen Sanierungserfolge darf da nicht allzu laut erschallen.

Vergleicht man den gestern vom Senat abgesegneten Etat mit dem, was die Senatsmitglieder vor einer Woche in ihrer Haushaltsklausur verabredeten, zeigen sich nur geringe Unterschiede: Insgesamt steigen die je 20 Milliarden Euro großen Etats für 2006 und 2007 laut Sarrazin nur um 10 Millionen Euro.

Was der Finanzsenator mit „äußerst restriktiver Einstellungskorridor“ beschreibt, heißt übersetzt: Bis 2009 sollen unterm Strich jährlich 3.500 Stellen im öffentlichen Dienst wegfallen. Dem stehen wenige Neueinstellungen bei Polizei, Feuerwehr, Schulen, Justiz und Finanzämtern gegenüber – in den Jahren 2007 bis 2009 insgesamt nur knapp 3.000. Dadurch erhofft sich Sarrazin Einsparungen bei den Personalkosten in Höhe von 500 Millionen Euro.

Anders als in bisherigen Etats will der Senat in den kommenden Jahren nicht mehr „sparen, bis es quietscht“. Die insgesamt 600 Millionen Euro umfassenden Haushaltsdefizite in den kommenden zwei Jahren will der Senat wie geplant durch einen Finanztrick ausgleichen. Bislang wurden jährlich 300 Millionen Euro in den Landeshaushalt eingeplant, um damit etwaige Finanzrisiken aus Bankgesellschaftsfonds zu bezahlen.

Eine Nachricht malt der Finanzsenator mit Sicherheit in zu rosigen Farben. Sarrazin setzt darauf, die 40.000 Immobilienfondsanleger der Bankgesellschaft mit insgesamt 1,83 Milliarden Euro abzufinden. Die Initiative Berliner Bankenskandal kritisiert jedoch, solche Abfindungszahlungen verstießen gegen die Verfassung und die Haushaltsordnung des Landes. Zudem lehnen Anlegervertreter die Angebote der Bankgesellschaft als unzureichend ab.

MATTHIAS LOHRE