Die Angst der Rechten vor der Linkspartei

Die rechtsextreme NPD befürchtet das Abwandern von Protestwählern zu WASG und PDS. Auch Parteienforscher glauben an eine „Schnittmenge“ beim Wählerpotenzial – zumal Oskar Lafontaine gleichfalls gegen „forcierte Zuwanderung“ wettert

AUS BERLIN ASTRID GEISLER
UND KLAUS JANSEN

Das hat den Streitern der „Volksfront von rechts“ gerade noch gefehlt. Nach dem lamentablen Abschneiden bei den letzten Landtagswahlen waren sie ohnehin weitgehend desillusioniert, jetzt macht sich bei ihnen auch noch Angst um die letzten Stimmen breit – die Stimmen der sozial frustrierten, politisch heimatlosen Protestwähler.

„Viele enttäuschte Wähler werden sich nun dem Linksbündnis zuwenden, obwohl sie ohne das linke Bündnis vielleicht eher die nationale Opposition gewählt hätten“, warnt ein Kamerad in einem einschlägigem Neonazi-Internetforum. Andere sehen noch viel schwärzer. Jetzt hätten sich wohl „alle Hoffnungen auf rechte Erfolge bei Wahlen in nächster Zeit weitgehend zerschlagen“, lamentiert ein Neonazi.

Schließlich seien die meisten Protestwähler frustriert über soziale Ungerechtigkeiten – „aber weder Nationalisten noch Rassisten“. Sie würden ihre Denkzettel demnächst bei den Kandidaten mit der „Gutmenschen-Legitimation“ abgeben – also bei den Gregor Gysis und Oskar Lafontaines, die für das neue Linksbündnis antreten wollen.

Mit der rechten Volksfront liebäugeln, das Kreuzchen aber schließlich beim linken Wahlbündnis machen? So paradox die These klingen mag – Fachleute halten sie für durchaus stichhaltig. „Eine neue Linkspartei wird viel bündeln, was sonst nach rechts abgedriftet wäre“, urteilt der Duisburger Parteienforscher Karl-Rudolf Korte.

Auch Richard Hilmer vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap sieht „Schnittmengen“ in der Wählerschaft von Rechtsextremen und PDS/WASG. Zum einen wollten sich beide als Alternative zu den etablierten Parteien präsentieren und Nichtwähler mobilisieren, die sich „politisch nicht mehr richtig vertreten fühlen“. Zum anderen setzten beide Gruppierungen auf das Thema soziale Gerechtigkeit, um bei sozial frustrierten Arbeitslosen und Arbeitern zu punkten.

„Hartz IV muss weg“ oder „Quittung für Hartz IV“: Schwer zu sagen, welche Forderung auf der PDS-Fahne steht und welche auf dem NPD-Banner. So austauschbar sind die Angebote indes nur auf den ersten Blick. „Ganz deutlich wird der Unterschied, wenn man die Ausländerfeindlichkeit betrachtet“, sagt Meinungsforscher Hilmer.

Auf dieses Alleinstellungsmerkmal legt man auch in der Berliner NPD-Zentrale wert, selbst wenn Parteifunktionäre die Vokabel „ausländerfeindlich“ nicht im aktiven Wortschatz haben. Natürlich seien die Hartz-IV-Frustrierten bei der Bundestagswahl eine wichtige Klientel, sagt NPD-Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt. „Aber wir haben einen ganz anderen Lösungsansatz für soziale Fragen als das Linksbündnis.“ Die Linke habe die Zuwanderungspolitik schließlich vorangetrieben.

Glaubt man dem NPD-Sprecher Klaus Beier, dann will die Partei im Wahlkampf auf die linke Konkurrenz reagieren. Die soziale Frage bleibe Thema Nummer eins, aber mit klarerem „nationalen“ Akzent. Da wird das Linksbündnis gewiss nicht nachziehen, allein weil WASG und PDS sich auf ein antifaschistisches Selbstverständnis berufen.

Allerdings stimmt das die rechtsextreme Basis nicht optimistischer. Schließlich, sorgt sich ein Kamerad, streue Lafontaine bei seinen Talkshow-Auftritten ebenfalls „nationale Phrasen“. Zum Beispiel, „dass es hierzulande zuerst um den deutschen Arbeitnehmer gehen sollte“. Fehlalarm eines allzu nationalen Sozialisten? Nicht unbedingt. Die Rechtspostille Junge Freiheit merkte Anfang Juni an, Lafontaines Beamtenschelte sei genau wie sein Ja zur Einschränkung des Asylgrundrechts auch bei „potenziell ‚rechten‘ Protestwählern“ angekommen.

Wer sich selbst überzeugen will, kann auch in Lafontaines jüngstem Polit-Wälzer „Politik für alle“ nachlesen. „Die forcierte Zuwanderung wird in Deutschland einzig von den oberen Zehntausend gefordert, die von deren Folgen gar nicht oder nur am Rande betroffen sind“, schreibt der Ex-SPD-Chef. Und fordert, der Staat müsse „zuallererst für diejenigen sorgen, die seine Bürger sind“.

Meinungsforscher Hilmer ist allerdings sicher, dass die rechtsextreme „Volksfront“ auch ohne Konkurrenz von links chancenlos wäre. „Die haben viel größere andere Probleme.“ So fehlten NPD und DVU vorzeigbare Kandidaten. Außerdem habe sich die „Volksfront“ seit den spektakulären Wahlerfolgen in Ostdeutschland bereits publikumswirksam selbst vorgeführt: „Wenn eine Partei ‚Arbeit für Deutsche‘ propagiert, aber ihre Zeitung in Polen drucken lässt – dann kriegen die Wähler das schon mit.“