Abschiebung ins Krankenhaus

Ein kurdischer Häftling des Abschiebegefängnisses Köpenick wurde ins Krankenhaus eingeliefert – nach langem Hungerstreik, sagen Insassen. Polizei leugnet, dass es die Protestaktion überhaupt gab

von PLUTONIA PLARRE

Der Abschiebegewahrsam Köpenick kommt nicht aus den Schlagzeilen heraus. Nach mehrwöchigem Hungerstreik ist ein kurdischer Häftling gestern in das Haftkrankenhaus Moabit verlegt worden. Der Zustand des Mannes ist offenbar so Besorgnis erregend, dass der polizeiärztliche Dienst diese Maßnahme für geboten hielt.

Die Polizeiführung indes weigert sich, von einem Hungerstreik zu sprechen. Mehr noch: In einem Schreiben vom 14. Juni 2005 fordert eine Rechtsanwältin im Namen von Polizeipräsident Dieter Glietsch von der taz den Abdruck einer Gegendarstellung. Der Wortlaut: „Es gibt keinen Hungerstreik [im Abschiebegewahrsam Köpenick; d. Red.]. Die betreffenden Personen verweigern nur die Annahme des ihnen angebotenen Anstaltsessens. Sie nehmen jedoch andere Nahrungsmittel zu sich, die ihnen von Dritten zur Verfügung gestellt werden.“

Der Streit um die Frage ist alt: Wer hat im Fall eines Hungerstreiks die Definitionsgewalt? Die Behörden, die stets von Verweigerung der Annahme der Anstaltskost reden, wenn Häftlinge einen Hungerstreik ausrufen? Oder die Protagonisten? Es wäre das erste Mal, dass die taz wegen ihrer Berichterstattung über eine Hungerstreikaktion vor Gericht gezerrt würde.

Die Ereignisse im Abschiebegewahrsam sprechen für sich. Der Leiter der Anstalt, Frank Kiele, bestätigte der taz, dass der kurdische Häftling Sükrü Unaldi gestern „auf Anraten des ärztlichen Dienstes“ in das Haftkrankenhaus verlegt worden ist. Die genauen Gründe für die Verlegung seien ihm aber nicht bekannt, sagte Kiele. Er habe den Häftling auch nicht mehr persönlich gesehen. Er wisse aber, dass Unaldi „frühzeitig mit der Nahrungsverweigerung begonnen“ habe. Zwischenzeitlich habe er mit der Aktion „auch mal aufgehört“, diese dann aber fortgesetzt. Die genaue Anzahl der Tage der Nahrungsverweigerung kenne er nicht. Aus Unaldis Umkreis verlautet, der Insasse hungere seit fünfzig Tagen. Kiele zufolge ist der Insasse jedoch regelmäßig ärztlich untersucht und gewogen worden.

Der evangelische Pfarrer Dieter Ziebarth, der Häftlinge im Abschiebgewahrsam betreut, hat Unaldi am Mittwoch zum letzten Mal gesehen. Da habe dieser „einen äußerst geschwächten Eindruck“ gemacht, sagte Ziebarth gestern der taz. Konkret sprach der Pfarrer von „deutlichen Spuren langwährenden Hungerns“. Bei dem Gespräch mit ihm in der Zelle habe Unaldi mehr gelegen als gesessen.

Neben dem Kurden hatten in letzter Zeit mehrere Abschiebehäftlinge gehungert, die genaue Zahl ist unklar. „Einige wenige“ betreiben laut Kiele immer noch „Nahrungsverweigerung“. Die Übrigen hätten ihre Aktion nach einem Gespräch am Runden Tisch mit der Anstaltsleitung beendet.

Hauptforderung der Aktion von Unaldi und den anderen ist nach Information der taz, nicht abgeschoben zu werden. Von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) war gestern keine Stellungnahme zu den jüngsten Entwicklungen zu erhalten. Ihm wird der Fall eines Tamilen wohl noch gut in Erinnerung sein. Der Abschiebehäftling hatte sich im Sommer 2004 an den Rand des Komas gehungert. Seit der Entlassung aus dem Krankenhaus ist er untergetaucht.