Wenn dem Gericht die Worte fehlen

Im Prozess um eine beispiellose Gewaltorgie in Frankfurt (Oder) ersparen sich die Richter bei der Urteilsverkündung die Schilderung der grauenhaften Details – und verurteilen die Täter zu Haftstrafen von neuneinhalb bis dreizehneinhalb Jahren

AUS FRANKFURT (ODER) ASTRID GEISLER

Der Vorsitzende Richter Andreas Dielitz bemühte sich zum Abschluss des Prozesses um einen sachlichen Ton. „Was Sie hier geboten haben“, sagte er und blickte zu den fünf jungen Angeklagten, „das sprengt alles, was wir in vielen Berufsjahren erlebt haben.“ Die Details des „grauenhaften Verbrechens“ wolle er lieber gar nicht mehr schildern. „Das erspare ich mir.“ Die bulligen, zum Teil kahl geschorenen Männer nahmen es mit gelangweilten Blicken hin.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) verkündete gestern das Urteil über drei Männer im Alter von 21 bis 29 Jahren aus der örtlichen Neonazi-Szene. Sie hatten vor einem Jahr nach einer Partynacht einen 23-Jährigen mehr als zwei Stunden lang in einer Wohnung fast zu Tode vergewaltigt und gefoltert. Die zwei mitangeklagten 20- und 25-jährigen Freundinnen der Täter hatten den Gewalttaten vom Sofa aus zugeschaut. Sie waren nicht eingeschritten, sondern hatten gelacht und ihre Kumpels nach Überzeugung der Richter sogar angefeuert.

Das Gericht verurteilte gestern die zum Teil einschlägig vorbestraften Männer zu Strafen von neuneinhalb bis dreizehneinhalb Jahren Haft wegen besonders schwerer Vergewaltigung, schwerer Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Nötigung. Die Freundinnen der Täter wurden wegen Beihilfe zu jeweils zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Damit blieben die Strafen geringfügig unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft.

Warum aber wurde Gunnar S. zum Opfer dieses – wie das Gericht es formulierte – „bestialischen“ Verbrechens? Fest steht: Die Täter kannten den jungen Deutschen nur flüchtig, trafen ihn zufällig auf der Straße. Während der Torturen musste das Opfer nackt vor den Peinigern herumkriechen. Dabei brüllte der 21-jährige Daniel K.: „Du bist nicht arisch! Du bist weniger wert als ein Hund!“ War das Verbrechen deshalb eine rechtsextreme Tat? Die Staatsanwaltschaft hatte in der Anklage die „auf tiefster Stufe stehende dumpfe rechtsextremistische Einstellung“ der Männer als Motiv gewertet. Davon war das Gericht jedoch am Ende des Verfahrens nicht überzeugt.

Zweifellos seien die Angeklagten allesamt zeitweise in der Neonazi-Szene aktiv gewesen, sagte der Richter. „Wir wissen aber nicht, ob Sie heute noch eine rechtsextreme Gesinnung haben.“ Kennzeichnend für das Verhalten der Clique sei eher ihre generell gewaltorientierte Haltung. Das, so Dielitz, sei in Frankfurt offenbar keine Besonderheit mehr. Die Strafkammer habe in der jüngsten Zeit gehäuft über „massive Gewaltverbrechen“ urteilen müssen.

Das Opfer zu quälen sei für die Täter „letztlich ein Spaß gewesen“. Warum die Freundinnen freiwillig zusahen, wie dem Opfer „das halbe Kücheninventar in den After eingeführt“ wurde, warum sie ihn dabei noch als „Kinderficker“ beschimpften – eine Erklärung dafür fand das Gericht nicht. „Ich weiß nicht, wie man in Ihrem Alter so eine Herzlosigkeit haben kann“, sagte Dielitz.

Nach dem Verbrechen schickten die Täter den Schwerverletzten nach Hause. Ein Freund fand ihn zufällig, er wurde durch eine Notoperation gerettet. Ärzte diagnostizierten einen Darmriss, Rippenbrüche und schwere Verbrennungen. Der 23-Jährige nahm nicht an der Urteilsverkündung teil, weil er den Tätern nicht noch einmal begegnen wollte. Er leidet bis heute an den Folgen der Tat, kämpft mit Albträumen, Angstzuständen und Depressionen. Sein Anwalt lobte nach der Urteilsverkündung, dass das Gericht immerhin „ein deutliches Signal gegen diese Art von Straftaten gesetzt“ habe.