Vorsätzlich die Knochen gebrochen

Polizei setzt mit massiver Gewalt Neonazi-Aufmarsch in Schnelsen durch. Rund 300 AnwohnerInnen demonstrieren spontan gegen den Auftritt der Rechten. 20-jähriger Afghane von Polizisten misshandelt. Opfer stellt Strafantrag

von PETER MÜLLER

„Du hast Glück, dass wir nicht allein sind, sonst würde ich dich umbringen“, zischt der Polizeibeamte Rafiq O.* zu, als der 20-Jährige hilflos am Boden liegt und bricht ihm dabei das Handgelenk. Zuvor hatte eine Polizistin den afghanischen Jugendlichen angesprungen und niedergerissen.

Szenen, die eher untypisch sind für den Brennpunkt-Stadtteil Schnelsen Süd, wo die Polizei bemüht ist, sich bürgernah zu präsentieren. Am vergangenen Freitagabend agierten die stadtweit georderten und quartiersfremden Polizei-Einheiten, um 40 militanten Neonazis deren Aufmarsch gegen „Kinderschänder“ zu ermöglichen.

Die vermeintliche Mahnwache „Kein Forum für Pädophile“ war von Tobias Thiessen angemeldet worden. Er ist ein Vertrauter des Hamburger Neonazi-Führers Thomas Wulff, der inzwischen in Mecklenburg-Vorpommern in dem Dorf Am Holz bei Boizenburg wohnt. Konkret richtete sich der Aufmarsch gegen Frank Freitag, Betreiber des Internetportals „seventeen6“ im Graf Johann Weg, der mit dem wegen Aktivitäten im Pädophilenverein „Krumme 13“ und Pornografievertrieb verurteilten Dieter Gieseking zusammen gewohnt haben soll.

Für die BewohnerInnen des Viertels „Spanische Furt“ kam die angemeldete Aktion dennoch überraschend. Es waren zwar in der vorigen Woche in der Region Neonazi-Pamphlete zu der Thematik aufgetaucht. Doch diese bezogen sich alle auf einen vom Neonazi-Ideologen Christian Worch für den 2. Juli angemeldeten Aufmarsch in Schnelsen.

Der Auftritt der Rechten am Freitag löste Empörung in der Siedlung aus. Rund 300 AnwohnerInnen gingen spontan auf die Straße. „Es war eine nette bunte Mischung aus ausländischen Jugendlichen und der antifaschistischen Linken“, berichtete eine Sozialarbeiterin aus dem Quartier, wo überwiegend MigrantInnen wohnen. Die Polizei hatte mit keiner Gegendemo gerechnet. „Wir waren davon ausgegangen, dass die Veranstaltung nicht groß zur Kenntnis genommen wird. Doch dann hat sich der Aufmarsch nicht ganz einfach gestaltet“, sagte Polizeisprecher Ralf Meyer gestern. Die Polizei habe zusätzlich die Landesreserve mobilisieren müssen, als auch Personen der Antifa-Szene eintrafen. „Es ist mit Obst, Eiern und Steinen geworfen worden“, begründete Meyer das harte Einschreiten der Kollegen. Es gab 16 Festnahmen. „Getragen wurde der Protest eher von der großen Zahl der Anwohner.“

Zu denen gehörte Rafiq O. Er hatte sich mit Freunden am Graf Johann Weg, Ecke Vörnbrook versammelt. Als er eine „durchgangsfreie Zone“ erspähte und zusammen mit seinen Kumpels durchgehen wollte, wurde er plötzlich von der Polizistin gepackt. „Ich weiß nicht warum, danach stürzte sich dieser Bär auf mich“, erinnert sich Rafiq O. „Zwei Polizisten saßen dann auf Knien auf ihm“, berichtete eine Augenzeugin. „Er hat lauthals geschrien – sie ließen aber nicht locker“, sagte sie. „Es sah alles sehr aggressiv aus“, bestätigte die Sozialarbeiterin, die namentlich nicht genannt werden will.

Dass der Polizist Rafiq O. die Verletzungen nicht versehentlich zugefügt hat, ist für den Migranten sicher. „Er sagte bei meiner Festnahme grinsend: ‚Süsser, die Schrammen in deinem Gesicht sind von mir.‘“ Rafiq O. hat gestern Strafanzeige gegen den Polizisten erstattet.

Ein Bündnis von Grünen, Sozialdemokraten, Kommunisten und Antifa mobilisiert derweil dafür, den für Juli geplanten Neonazi-Aufmarsch zu verhindern.

*Name geändert