Autokauf mit vorsätzlicher Täuschung

Deutsche Umwelthilfe wirft VW perfide Marketingstrategie bei der Nachrüstung mit Dieselruß-Partikelfiltern vor

BERLIN taz ■ Die Zahl der Allergiker wird sehr stark ansteigen: Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation könnten in fünf Jahren die Hälfte aller Erdenbürger unter einer Überempfindlichkeit leiden. 1960 waren es gerade mal 3 Prozent.

„Eine Studie in Japan hat nachgewiesen, dass die Häufigkeit von Heuschnupfen zunimmt, je näher die Betroffenen an einer viel befahrenen Straße – mit entsprechender Feinstaubbelastung – wohnen“, erklärte gestern der Allergologe Ulf Darsow von der TU München, wo am Sonntag der Welt-Allergie-Kongress beginnt. Dieser Zusammenhang resultiere aus den ultrafeinen Partikel – etwa aus Dieselabgasen – die in die tiefsten Lungenabschnitte vordringen. Man muss aber gar nicht bis nach Japan schauen: Laut einer deutschen Studie kommen fünfmal mehr Menschen hierzulande durch die mikroskopisch kleinen Staubpartikel ums Leben als bei Verkehrsunfällen. In Stuttgart sind die zulässigen Feinstaubgrenzwerte mittlerweile an 80 Tage überschritten. Und der staubende Sommer beginnt gerade erst: Die Deutsche Umwelthilfe rechnet damit, dass am Jahresende 70 bis 120 Städte gegen die Rechtsvorschriften verstoßen werden. Dennoch passiert nichts – weder bei den Herstellern noch in der Politik.

Einerseits wird sich der Bundesrat in dieser Woche mal wieder mit der steuerlichen Förderung des Dieselruß-Partikelfilters befassen. Andererseits versucht Deutschlands größter Autobauer seine Kunden übers Ohr zu hauen. Sagt zumindest Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe: „Zum Festpreis von 565 Euro versprechen VW-Händler ihren Kunden eine spätere Nachrüstung mit einem vollwertigen Rußfilter.“ Der allerdings sei alles andere als „vollwertig“: „Statt 99,9 Prozent Leistung zu erreichen, schafft der von VW angebotene nur eine Filterleistung von 30 Prozent.“ Dies sei eine perfide Marketingstrategie. „Bei Testanrufen in VW-Vertragswerkstätten in Stuttgart, Ulm, Mannheim und Wolfsburg haben wir diese vorsätzliche Täuschung bestätigt bekommen“, so Resch. Die Händler handelten dabei allerdings nicht böswillig. Zum Teil hätten sie erklärt, vom VW-Konzern bisher selbst keine technischen Angaben zu den Nachrüstfiltern erhalten zu haben.

Der VW-Konzern erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters zu den Vorwürfen, das Unternehmen habe nie behauptet, dass Nachrüstfilter die gleichen Werte wie die vollwertigen geschlossenen Filtersysteme erreichten. „Wenn ein Händler etwas anderes sagt, ist das nicht mein Problem“, sagte der Sprecher. Jedenfalls warnt die Deutsche Umwelthilfe Autokäufer vor einem VW-Diesel-Modell: „Der Wertverlust bei einem Neuwagen ohne Partikelfilter ist natürlich wesentlich höher als mit.“

Allen, die im guten Glauben jüngst dennoch ein solches Modell gekauft haben, bietet die Umwelthilfe Unterstützung an: Ab Freitag kann man aus dem Internet einen Formbrief herunterladen, mit dem man von seinem Kauf zurücktreten kann. Resch: „Schließlich liegt dem Kauf eine vorsätzliche Täuschung zugrunde.“ NICK REIMER

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