strafplanet erde: una dolce variazione di pisa-studie von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Das Geld war weg, verschluckt vom Automaten, der es nicht gegen Benzin getauscht hatte. Falsche Taste, irgend so was. „Arrividerci e grazie“, höhnte der Bildschirm. 20 Euro futsch … futschikato. Ist das eigentlich Italienisch, oder tut das Wort nur so?

Notgedrungen musste ich nachfüttern. Einen Mietwagen ohne gefüllten Tank zurückzugeben, das wird teuer. Der Toscanaurlaub war zu Ende, es war ein Samstag Anfang April, südöstlich lag der Papst im Sterben.

Der zweite Tankversuch glückte, wie, weiß der Himmel. Ihm oder einem Anflug von Geistesgegenwart war es zu verdanken, dass ich mir die Quittung ausdrucken ließ. Über dem Abschnitt für die vergeigten 20 Euro stand „Credito non utilizzato“ sowie die Adresse der Tankstelle. Den Zettel hob ich auf. Zwei Stunden später hob ich ab. Als der Billigflieger in Deutschland landete, war der Papst tot.

Einige Tage später ging eine Reklamationspost mitsamt Kopie der Quittung ab nach Pisa. Nicht der 20 Euro wegen, o nein. Ich zähle nicht zu den kleingeistigen Geizidioten, sondern – auf Teilzeitbasis – zu den Moralaposteln. Ich schrieb, um ein Zeichen zu setzen. Aus Protest gegen die Machtlosigkeit des Menschen der Automatenwelt gegenüber. Ein gewaltloser Akt des Widerstands gegen das Ausgeliefertsein, ein Fanal der Selbstachtung, irgend so was. „… I made some mistakes with the automatic ‚Pompa‘ … Would you please return me the 20 Euro …“ Es war vollkommen sinnlos. Der Brief würde im Papierkorb landen. Lo facciamo domani. Hähä. Dolce far niente.

Wenige Wochen danach wurde ich einer wundersamen Erscheinung offenbar. Ein Brief traf ein mit dem Absender „Paolo Bandini, Stazione di Servizio AGIP“. Ich riss den Brief auf: „… We are sorry that you had problems with our prepay service. Obviously we return you your 20 EUR.“

In den tristen Tag drang ein Leuchten, aus dem Lichtstrahlenbündel schossen, als ich den Schlusssatz las. Darin materialisierten sich irisierend die betörende Herzlichkeit des Südens, die Benevolentia der italienischen Gastfreundschaft und die charmante Selbstverständlichkeit der großen Geste: „If in the future you will travel again in Italy to visit Tuscany and Pisa, we hope you will come again in our gas station. It would be such a pleasure to offer you a good italian espresso.“

Zutiefst bewegt und bar ironischer Allüren verfasste ich umgehend ein Dankschreiben. Ich sah den Tag kommen, es müsste allerdings ein Wochentag sein, da ich, dem Kröterich gleich, kreuzfidel hupend auf die Tankstelle rollen, überschwänglich begrüßt würde von Signore Bandini persönlich und dann mit ihm auf der AGIP-Sonnenterrasse den Durchgangsverkehr betrachtend einen Espresso trinken würde. War darin etwa ein Quäntchen milder Sarkasmus zu spüren? Nö. Es war Heiterkeit, es war besinnungslose Freude. Zunächst aber erzählte ich rundrum und jedem, der mir über den Weg lief, auf welche Weise mir der Glaube an das Gute im Menschen zurückgegeben worden sei. Der Glaube blieb eine Weile stabil, trotzte auch den für die Jahreszeit zu kühlen Temperaturen. Bis mir irgendein blödes Missgeschick widerfuhr. So wankelmütig ist der Mensch.